Starnberg/Percha:Dichterwort an dunklem Ort

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Vom Lagerhaus zur Galerie: Gerd Holzheimer (rechts) führt durch des einstige Gestüt Isarland. (Foto: Arlet Ulfers)

Der Literarische Herbst auf Exkursion zum einstigen Gestüt des Nazi-Parvenüs Christian Weber

Von Katja Sebald, Starnberg/Percha

"Ans Licht! Durchblicke! Blaue Reiter!", so hatten Elisabeth Carr und Gerd Holzheimer die zweite Veranstaltung ihres diesjährigen "Literarischen Herbstes" überschrieben. Die Matinee fand auf dem Gestüt Isarland in Percha bei so strahlendem Herbstwetter statt, dass man die düstere Geschichte des Ortes wohl gerne vergessen hätte. Doch die martialische NS-Architektur stemmte sich auch im goldenen Licht mit aller Entschiedenheit ins Bild.

Das Gestüt Isarland ist eine Schöpfung des rüden Pferdeknechts, Nazi-Emporkömmlings und Hitler-Duzfreundes Christian Weber: Unter seiner Ägide war es in den Jahren 1939 bis 1942 errichtet worden, Träger war der ebenfalls von ihm gegründete "Verein zur Förderung der Pferdezucht in Bayern". Die dreiflügelige Anlage, ursprünglich erschlossen von einer axialen breiten Zufahrtsallee, ist ein Paradebeispiel für den alpenländischen Heimatschutzstil in der NS-typischen, pathetisch-monumentalen Ausprägung. In den Feldern des Fachwerks finden sich sogar noch eingeschnittene Runenzeichen, im geschnitzten Gebälk noch die gereckten Fäuste ehemaliger Fahnenträger. Alinde Rothenfußer hat das denkmalgeschützte Gestüt 2013 mit ihrem Mann von der Stadt München gekauft, seither bespielt die Künstlerin und Galeristin den ehemaligen Getreidespeicher als "Orplid in Isarland" mit zeitgenössischer Kunst.

Eine zusätzliche "literarische Reinigung" des schnöden Betonkastens mit dem spektakulären Ausblick versuchten nun Elisabeth Carr und Gerd Holzheimer auf einem Stationenweg durch die verschiedenen Stockwerke, bis hinauf in Orplids Land, wie es Mörike im Gesang Weylas beschwört: "Du bist Orplid, mein Land!/Das ferne leuchtet;/Vom Meere dampfet dein besonnter Strand/Den Nebel, so der Götter Wange feuchtet." Zunächst aber ließen sie im Untergeschoss Herbert Rosendorfer zu Wort kommen, der im Roman "Nacht der Amazonen" Aufstieg und Fall des Pferdezüchters Christian Weber einschließlich seiner von schlüpfrig-rassischen Männerfantasien inspirierten Festumzüge beschreibt.

Die Treppen hinauf bis in die obersten Etagen wurden die Besucher von Novalis, Goethe, Stifter und eben Mörike begleitet, letzteren bezeichnete Holzheimer als "vielleicht einen der besten deutschen Lyriker". Holzheimer beschrieb die romantische Sehnsucht, aus dem Endlichen ins Unendliche zu gehen, die Schönheit und das Sublime der Sprache von Dichtern, die "sich mit dem Leben schwergetan haben" und sich ein geistiges Land entwarfen, "in dem die Dinge des Lebens nicht hinderlich sind".

Oben dann folgte ein durchaus gewagter "Rösselsprung" zu den - auf dem leerstehenden Gestüt freilich nur imaginierten - Pferden von Franz Marc und den literarischen Briefen seiner Künstlerfreundin Else Lasker-Schüler. Mit der Biografie von Franz Marc, dessen Todestag sich heuer zum 100. Mal jährt, der von den Malern des "Blauen Reiters" beschworenen gesellschaftlichen Erneuerung durch die Kunst und den Briefen des "Prinzen Jussuf von Theben", die Lasker-Schüler an Marc schrieb, leitete Elisabeth Carr dann über zu einem "Ausblick ins blaue Land".

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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