Starnberger Politik:Alleingang der Bürgermeisterin

Lesezeit: 2 min

Die Rechtsaufsicht rügt: Im Fall Angelika Kammerl hat Eva John ihre Kompetenzen überschritten

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Sitzung des Starnberger Bauausschusses am 22. September 2016 dürfte zu den denkwürdigsten Veranstaltungen zählen, die jemals in der Schlossberghalle stattgefunden haben: Stadtrat Günther Picker (WPS) unterstellte seiner ehemaligen Fraktionskollegin Angelika Kammerl (Parteifreie), sie habe sich ihr Stadtratsmandat unter falschen Angaben zu ihrem Wohnsitz "erschlichen" - ein vielfach als persönlicher Rachefeldzug interpretierter Vorwurf, der sich im Nachhinein als völlig haltlos erwies. Gleichwohl erwärmte sich Bürgermeisterin Eva John für die Angelegenheit: Sie schaltete die Staatsanwaltschaft ein und legte den Behörden "eigene Ermittlungen" nahe.

Doch die Staatsbehörde unternahm nichts, denn an den mehrfach überprüften Voraussetzungen zur Wählbarkeit Kammerls bestanden keine Zweifel. Der Stadtrat aber ließ den Vorgang nicht auf sich beruhen: Im Oktober beschloss das Gremium, John solle in einem Schreiben an Staatsanwaltschaft und örtliche Presse klarstellen, dass die Anzeige gegen Kammerl nicht offizielle Position der Stadt, sondern eine "persönliche Maßnahme der ersten Bürgermeisterin" darstellte. Doch diesem Beschluss kam John nicht nach. Sie ließ das Votum des Stadtrats stattdessen von der Kommunalen Rechtsaufsicht prüfen. Per E-Mail teilte die Behörde am 28. Februar mit: John könne die geforderte Erklärung zwar nicht selbst abgeben, muss sich allerdings vertreten lassen.

Picker hatte Ende Juli 2016 beantragt, den "Verlust der Wählbarkeit" von Stadträtin Kammerl festzustellen. Die hatte nur wenige Wochen zuvor - gemeinsam mit Sieglinde Loesti - die WPS nach anhaltenden Querelen verlassen. Picker untermauerte seinen Antrag mit Hinweis auf eine angebliche Nachbarin Kammerls in Niederpöcking. Im September wiederholte er seine Anschuldigung und forderte, der Bauausschuss solle sofort die Sitzung unterbrechen und die angegebene Zweitwohnung von Kammerl in Söcking besichtigen. Soweit kam es seinerzeit zwar nicht. Doch John folgte etwas später der Forderung Pickers und schaltete - ohne dass zuvor im Stadtrat darüber gesprochen wurde - die Staatsanwaltschaft ein.

Die Rechtsaufsicht stellte nun fest, dass John den Staatsanwalt ohne Stadtratsbeschluss gar nicht hätte informieren dürfen. Mit ihrem Schreiben habe die Bürgermeisterin ein "weitreichendes politisches Signal gesetzt", mit dem aus Sicht des Stadtrats ein "fälschlicher Eindruck erweckt wurde"; es handle sich "allein um eine Entscheidung der Bürgermeisterin". Die Staatsanwaltschaft hatte bereits Ende Oktober festgestellt, dass sich bei den Vorwürfen gegen Kammerl keine konkreten Anhaltspunkte ergeben hatten und es sich somit um "reine Vermutungen" handelt.

Jetzt also muss Vize-Bürgermeister Klaus Rieskamp die Sache übernehmen. Eine persönliche Entschuldigung Johns gegenüber Kammerl, die womöglich zur Befriedung der Situation beitragen könnte, steht aber noch aus. Und die angebliche Zeugin aus Niederpöcking, eine Sonja Müller, ist auch unbekannt: Das hat die Stadt selbst herausgefunden.

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: