Starnberg:Zwischen Himmel und Wasser

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Ein Bildband über Stege im Fünfseenland? Klingt nicht allzu spannend, ist es aber sehr wohl, wie die Journalistin Maren Martell mit ihren Bildern beweist

Von Otto Fritscher, Starnberg

Bücher über das Fünfseenland gibt es, dieser zugegeben etwas schiefe Vergleich sei erlaubt, wie Sand am Meer. Auch über die Schlösser, die herrschaftlichen Villen an den Ufern von Starnberger und Ammersee und natürlich über die Schifffahrt selbst ist schon vieles geschrieben worden. Und nun, ausgerechnet ein Buch über Stege? Was vielleicht anfangs etwas dröge klingt, hat die Journalistin und Fotografin Maren Martell in einen ganz bezaubernden Bildband umgesetzt.

Bis zum fertigen Buch musste Martell allerdings einige Widerstände überwinden, auch in ihrer eigenen Familie, die zunächst mit etwas Unverständnis auf ihr Projekt reagierte. "Stege? Was willst Du darüber schon machen?", wunderte sich ihr 19-jähriger Sohn. Während ihr Mann, der in der Versicherungsbranche arbeitet, ein anderes Problem hatte: Beim gemeinsamen Joggen am Seeufer hatte Maren Martell die Kamera immer dabei, und jedes Mal gab es Fotopausen, um neue Stimmungen an See und Steg einzufangen. "Immer muss ich auf Dich warten, oder so etwas ähnliches hat er gesagt", erzählt Martell und lacht. Nur ihre beiden Hunde fanden und finden die ausgedehnten Jogging-Touren und Spaziergänge, die Martell nahezu täglich am Ammerseeufer macht, toll.

Erstaunlich, welche Stimmungen die eigentlich simplen, zweckbestimmten Gebilde aus Holzbohlen und Planken hervorrufen können. Wer hat nicht schon einen romantischen Sonnenuntergang von einem Steg aus beobachtet? Oder ist im Sommer von einem Steg aus ins Wasser gesprungen? Erfrischung pur. Oder hat erstaunt festgestellt, wie Stege im nebligen Herbst mystisch im dunstigen Nirwana verschwinden? Stimmungen, die Martell in ihrem Buch "Stege - Himmel. See. Sehnsucht." fotografisch festgehalten hat. Dazu machen sich 53 Autoren in kurzen Texten Gedanken über Stege. Für Werner Schmid ist der Ammersee "sein Lebenselixier", wie der stellvertretende Geschäftsführer des Tourismusverband schreibt; Nue Amman, nach eigenem Bekenntnis eine "Wortkünstlerin", nennt Stege eine "Übergangslösung", alles zusammen ergibt ein amüsanten Sammelsurium.

Für Martell sind Stege "so eine Art Grenzbereich", nicht mehr im Wasser, aber auch noch nicht im Himmel. "Mein Anspruch war es zunächst nicht, alle öffentlich zugänglichen Stege am Starnberger und Ammersee, aber auch am Weßlinger, Pilsen- und Wörthsee zu fotografieren", sagt die 51-Jährige. Angefangen hat ihr Faible für Stege nämlich mit dem Wasserwacht-Steg in Eching, den sie mindestens 1000 Mal fotografiert hat, zu allen Tages- und Jahreszeiten, unter allen erdenklichen Licht- und Wetterbedingungen. Dann traf sie bei einer Buchvorstellung den Verleger Josef Bauer aus Thalhofen im Allgäu, der ihre Idee vom Buch über Stege am Ammersee aufgriff - und erweiterte.

Das war vor gut zwei Jahren. Seitdem hat Martell etwa 4500 Fotos gemacht, von denen rund 400 in dem 160 Seiten starken Buch im Quadrat-Format gedruckt sind. "Die Bilder sind nicht mit Fotoshop oder sonst was bearbeitet", sagt Martell. Welche Stege gefallen der Autorin selbst am besten? Faszinierend findet sie die Klappstege am Wörthsee, "die im Winter einfach verschwinden", und den Steg, der direkt neben dem Stegener Dampfersteg ins Wasser ragt, Richtung Buch hinüber. Für Martell ist Wasser seit Kindesbeinen an wichtig, nicht nur zum Durstlöschen. "Mein Sternzeichen ist Wassermann", sagt Martell und lacht. Sie segelt, ist Windsurferin und hat auch schon das Stehpaddeln entdeckt. Im Berufsleben hat Martell mit Buchstaben statt mit Bildern zu tun. Sie ist für die Presseagentur dpa tätig und schreibt für Lokalzeitungen. Und hat bereits zwei Bücher ("25 Jahre Mauerfall" und "Macht der Bilder") geschrieben.

Die Reaktionen auf ihr Stege-Buch empfindet Martell durchweg als positiv. "Sie sind doch die Stege-Frau", ist sie auf dem Riederauer Weihnachtsmarkt am vergangenen Wochenende angesprochen worden. Erzabt Notker Wolf hat ihr aus Rom geschrieben, es sei ein "Buch, das zur Meditation einlädt". Und die Dießener Polizeiinspektion hat bei Martell angerufen, ob sie nicht die kahlen Wände der Wache mit Steg-Bildern schmücken dürfe. "Da schaue ich gerne mal vorbei", sagt Martell.

In Gedanken arbeitet die ruhig wirkende und sympathische Autorin bereits am vierten Buch. "Es geht um eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen, die hier am Ammersee wirken und arbeiten", sagt sie. Mehr will sie eigentlich nicht verraten. Nur so viel: "Die Fischer sind es nicht."

Maren Martell präsentiert ihr Buch am ersten Adventssonntag, 27. November, 15 Uhr, im Bootshaus des Münchner Ruder- und Segelvereins MRSV an der Starnberger Seepromenade 2. Mit dabei sind einige der Künstler, die ihre Gedanken über Stege im Buch aufgeschrieben haben wie der Filmemacher Walter Steffen aus Seehaupt, der Lyriker Anton G. Leitner aus Weßling, der Liedermacher Ricardo Volkert und Kulturmanager Konstantin Fritz. Das Buch "Stege - Himmel.See.Sehnsucht", ist im Bauer-Verlag erschienen und kostet 19 Euro.

© SZ vom 23.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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