Starnberg:Warten auf Kinder

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Den Leitern von Krippen, Kitas und Schulen im Landkreis ist noch völlig unklar, wie viele Kinder von Asylbewerbern sie aufnehmen sollen. In Herrsching ist die erste Übergangsklasse für Grundschüler geplant

Von Enya Wolf, Starnberg

"Für uns ist es mit der Sprache noch am einfachsten, die Kleinen wachsen von Anfang an mit Deutsch auf", sagt Regina Lang, Leiterin der Kinderkrippe Starennest in Starnberg. Im Juni hat sie zwei Babys von Asylbewerbern in ihrer Betreuungsstätte aufgenommen. Etwa ein Jahr alt sind die beiden kleinen Mädchen, ihre Familien stammen aus Syrien und aus Nigeria. Während die Eltern in Sprachkursen mit der deutschen Grammatik ringen, lernen die Babys spielerisch Sprechen. Die Erzieherinnen lesen, singen, erklären - die Kinder beobachten, lauschen, plappern. Und lernen dabei viel. In diesem Alter sind die Kleinen sehr flexibel und aufnahmefähig: "Bei uns spielt der Hintergrund der Eltern für die Sprachentwicklung kaum eine Rolle: seien es Deutsche, Migranten oder Asylbewerber", sagt Krippenleiterin Lang.

Die Kinder haben Spaß beim gemeinsamen Buddeln im Kindergarten "Arche Noah" in Tutzing. (Foto: Arlet Ulfers)

Um so wichtiger sei es, die Kinder von Asylbewerbern möglichst früh beim Lernen der fremden Sprache zu unterstützen. Möglichst früh bedeutet in diesem Fall: Sobald die Kinder nach ihrer Ankunft für Betreuung bereit sind, sollte ein entsprechender Platz verfügbar sein. Dafür hat sich auch Gerlinde Welter in ihrem Kindergarten eingesetzt. Zwei kleine Jungen, deren Mütter aus Nigeria stammen, hat sie im Februar im evangelischen Kindergarten "Arche Noah" in Tutzing unterbringen können. Dafür musste Welter zusätzliche Plätze vom Landratsamt genehmigen lassen. Es hat sich gelohnt: Die ersten Wörter von Geoffrey, 2, sind in akzentfreiem Deutsch, und der wissbegierige Kassim, 3, kann sich schon richtig unterhalten. Auch mit den anderen Kindern verstehen sich die beiden wortwörtlich gut. Kassim und Geoffrey wurden in Italien geboren. Die Buben seien ganz normale Kinder, sagt die Gruppenleiterin. Nicht traumatisiert, "abgesehen von dem Hin und Her und den vielen Behördengängen". Wie man am besten mit Kindern umgeht, die Kriegsschrecken erlebt haben, weiß Welter hingegen nicht. Eines steht für sie jedoch fest: "Je mehr Zeit für individuelle Zuwendung und Förderung bleibt, desto besser kann sich ein Kind entwickeln und damit auch integrieren."

An der Mittelschule in Gilching gab es bereits vor zwei Jahren eine Übergangsklasse für ausländische Kinder. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Obwohl üblich, ist ein Kita-Besuch vor der Einschulung nicht zwingend. Anders sieht es ab dem Grundschulalter aus: Auch für Kinder von Asylbewerbern gilt die Schulpflicht, in Bayern tritt sie drei Monate nach der Erstaufnahme in Kraft. "Obwohl die Kinder sich mehr Zeit lassen dürften, wollen sie oft so schnell wie möglich mit dem Schulalltag beginnen", sagt Karin Zauchner, Rektorin der James-Krüss-Grundschule in Gilching. Dieses Jahr steht zum ersten Mal Deutsch als Zweitsprache auf dem Lehrplan, das Fach findet parallel zum regulären Deutschunterricht statt. In Herrsching wird voraussichtlich die erste Übergangsklasse für Grundschüler im Landkreis eingerichtet. Eine speziell qualifizierte Lehrkraft ist bereits eingeplant. "Die Zahlen, die uns vom Landratsamt vorliegen, sprechen für die Notwendigkeit einer solchen Klasse in Herrsching", sagt Elisabeth Hirschnagl-Pöllmann, Direktorin des Staatlichen Schulamts. Insgesamt 190 Asylbewerberkinder, die in den Jahren 2000 bis 2009 geboren wurden, leben derzeit im Landkreis. 74 von ihnen sind erst seit wenigen Monaten hier. Wie viele von ihnen nächste Woche auf die Grund- und Mittelschulen gehen werden, ist aber noch völlig unklar. Der Grund: die starke Fluktuation. So herrscht in vielen Bildungsstätten Unsicherheit darüber, wie viele Kinder kommen. Doch sie eint auch der Wunsch, die jungen Asylbewerber bestmöglich zu fördern. "Durch die Bank motiviert" seien die Schüler in der Übergangsklasse der Mittelschule Gauting, sagt Rektor Udo Wiese. Bereits 2014 besuchten doppelt so viele Jugendliche den Unterricht wie vorgesehen. Wiese fordert Unterstützung von der Politik: Es seien mehr geschultes Personal und größere Räumlichkeiten nötig, um die steigende Zahl minderjähriger Asylbewerber angemessen zu betreuen. Oft werden die Kinder während des laufenden Jahres aufgenommen, eine zusätzliche Herausforderung für Krippen, Kitas und Schulen. Um so wertvoller ist die Zusammenarbeit zwischen Bildungsstätten, Behörden und Ehrenamtlichen. "Die Helferkreise sind Gold wert", so die Schulamtsdirektorin.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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