Starnberg:Von Widerstand bis Wildschweinpizza

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Der Literarische Herbst gehört zum festen Bestandteil des Kulturkalenders im Fünfseenland. Heuer haben sich Gerd Holzheimer und Elisabeth Carr etwas Besonderes ausgedacht: Zum 150-jährigen Bestehen des Bayerischen Hofs in Starnberg versprechen sie eine Nacht voller Wunder

Von Christiane Bracht, Starnberg

Einfach nur vor Publikum lesen, das ist nicht Gerd Holzheimers Sache. Der diesjährige Kulturpreisträger will Literatur viel mehr inszenieren: "Wenn, dann muss gespielt und erzählt werden und zwar an besonderen Orten. Es darf auch gelacht und entspannt mitgemacht werden", schwärmt er, wenn er vom Literarischen Herbst spricht. Als der Landkreis 100 Jahre alt wurde , hatte Holzheimer die Reihe das erste Mal initiiert - mit viel Erfolg. Inzwischen gehört der Literarische Herbst zum festen Bestandteil im Kulturkalender des Fünfseenlands. Heuer findet er zum 13. Mal statt. Und wie immer glänzt das Programm durch seine Vielseitigkeit. "Das ist Kult", sagte Kulturmanagerin Elisabeth Carr, die zusammen mit Holzheimer die künstlerische Leitung innehat, bei der Vorstellung des Programms am Freitag. Insgesamt acht Veranstaltungen sind geplant, und "jede Vorstellung ist ein Unikat."

Das Programm beginnt gleich mit einem ganz besonderen Highlight: dem Jubiläum des Hotels Bayerischer Hof in Starnberg. Das traditionsreiche Haus, früher das Erste Hotel am Platz, feiert am kommenden Freitag, 18. September, seinen 150. Geburtstag. Zu diesem Anlass wollte Geschäftsführer Nicolas Schrogl ein einmaliges Fest für 120 Gäste veranstalten, nicht nur mit Essen und Getränken, sondern auch mit Theatereinlagen. Worum es in dem Stück geht, weiß Schrogl bisher selbst noch nicht. Holzheimer und Carr hatten bei der Inszenierung absolut freie Hand. Und sie verraten nur so viel: Es wird ein Stationentheater, bei dem das Publikum als Gäste des Hotels miteinbezogen wird. Die Vorstellung beginnt im Foyer mit der Ankunft eines Gastes, der seinen Schlüssel möchte, begrüßt wird er von Schrogl, dem echten Direktor. Das Spiel zieht sich dann durch das ganze Haus von der Treppe bis zum Café, das Publikum erwartet viele Überraschungen. So treffen sie im Rahmen des heiter-melancholischen Stücks auf eine bayerische Geisha, König Ludwig II. und einen Verzauberer. Auch musikalisch ist an dem Abend einiges geboten: Das Repertoire reicht vom Frühlingswalzer über Jazz, Gershwin bis hin zu angenehmer Bar-Atmosphäre. Die Themen gehen von Liebe, Sehnsucht, über Heimatlosigkeit und Einsamkeit bis hin zum Sich-Finden. Auch literarisch bewegt sich die "Nacht voller Wunder" auf einem weiten Feld: Oskar Maria Graf steht auf dem Programm, ebenso wie mittelhochdeutsche und englische Lyrik, aber auch die Traumnovelle von Arthur Schnitzler in Wiener Caféhaus-Atmosphäre. Karten gibt es im Hotel Bayerischer Hof. Inklusive Essen und Getränke kostet der Abend 49 Euro.

Besonders eindrucksvoll wird wohl auch die Geschichte von Christoph Probst, der seinerzeit mit der Weißen Rose gegen den Nationalsozialismus kämpfte. "Als Familienvater musste er einen großen Konflikt austragen, bevor er bei den Flugblättern mitwirkte", erinnerte Carr. Unter dem Titel "Wenn niemand etwas tut, dann tu ich etwas" kommen am 21. Oktober seine Enkel ins Kloster Andechs. Sebastian Probst berichtet über das Weiter- und Überleben der Familie. Sprecher Peter Weiß liest aus den 2011 veröffentlichten Briefen des Widerstandskämpfers, und Sebastians Bruder Christoph begleitet die beiden musikalisch mit Werken von Siegfried Fall, der wegen seiner jüdischen Herkunft im KZ Theresienstadt ermordet wurde, sowie Ernst Bloch und Sergej Rachmaninov. Eintritt: 20 Euro.

Wer wissen will, was den Komponisten Johannes Brahms bewegt hat, kann am 25. Oktober auf der Brahmspromenade Passagen aus seinen Lieblingstexten hören. Einen Sommer lang war Brahms nachweislich in Tutzing, dort flanierte er am See entlang, komponierte und beschäftigte sich mit Literatur. BR-Sprecher Christian Jungwirth wird Brahms Lieblingsstellen aus Werken von Schiller, Eichendorf und anderen rezitieren.

Geplant ist zudem ein Mozartabend im Kloster Bernried, an dem Texte, Briefe und Tagebuchaufzeichnungen vorgelesen werden. Der Grund: Mozart soll einmal in Bernried gewesen sein. Außerdem unternehmen Holzheimer und Carr einen zwei Kilometer langen Spaziergang zum Erntedank vom Schloss Kempfenhausen nach Farchach auf den Hof von Simon Mair. Auf dem Weg werden poetische Texte von Goethe vorgelesen. Auf dem Hof präsentiert der schreibende Landwirt eigene Texte.

Lustig dürfte es am 10. Oktober werden, wenn der Wahl-Gautinger Gerd Holzheimer sich Gedanken über die römisch-keltische Geschichte der Würmtalgemeinde macht. Da gibt es Wildschweinpizza, aber Holzheimer weiß auch, dass der Vatikan nur eine Kolonie Gautings ist. Um so erstaunlicher findet er, dass der Papst nie kommt. Die Exkursion zur Ausstellung "30 Jahre Literatur und Kultur in Bayern" in Benediktbeuern verspricht interessante Erkenntnisse unter anderem über die Übersetzerin des ersten Mickey-Maus-Hefts, sowie die Gruppe 47. Und zum Abschluss des Programms wird es klangvoll, feurig und märchenhaft im Schloss Garatshausen, wenn Gunter Pretzel mit seiner Viola experimentiert.

Das vollständige Programm ist unter www.literarischer-herbst.info nachzulesen. Karten gibt es für alle Veranstaltungen außer im Bayerischen Hof beim Tourismusverband Starnberg.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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