Orkan "Niklas":Vom Sturm gestoppt

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Bei Gauting bleibt eine S-Bahn auf freier Strecke stehen. Autofahrer müssen Ausweichrouten suchen, weil Straßen unpassierbar sind. Einige Sperren gelten sogar bis Mittwoch

Von Christian Deussing, Starnberg

Der Orkan Niklas tobte am Dienstag auch durch das Fünfseenland und hinterließ große Schäden: Auf der S-Bahn-Linie 6 zwischen Pasing und Tutzing ging fast den ganzen Tag gar nichts mehr, weil Bäume in die Oberleitungen gekracht sind. Tausende Fahrgäste und Berufspendler waren davon betroffen; in einer S-Bahn bei Gauting saßen 34 Personen auf freier Strecke fest. Sie mussten aus dem Zug geborgen werden, ebenso Fahrgäste die südlich des Starnberger See-Bahnhofs festsaßen. Die Feuerwehren meldeten bis zum späten Nachmittag 270 Einsätze im Landkreis. Zahlreiche Straßen wurden gesperrt, zum Teil bis zum Mittwochmorgen.

Nach Polizeiangaben wurde auf der Hauptstraße in Tutzing ein 40-jähriger Kleinbusfahrer schwer verletzt. Ein Baum war auf seinen Wagen gestürzt, der daraufhin an eine Straßenlaterne prallte. Der Mann kam ins Klinikum Großhadern, sein Fahrzeug wurde komplett zerstört. Unverletzt blieb der Fahrer eines Autos, das auf der Bundesstraße bei Monatshausen an einen umgefallen Baum prallte.

Auch auf die Garmischer Autobahn stürzten bei Schäftlarn und Seeshaupt etliche Bäume. Die Umgehungsstraße bei Unterbrunn und die Kreisstraße zwischen Gauting und Neuried wurden gesperrt, nachdem mehrere Bäume auf die Fahrbahn gestürzt sind. Weil die Gefahr zu groß war, dass dort noch mehr passiert, war vorgesehen, die Sperrung erst am Mittwochmorgen wieder aufzuheben. Der Verkehr wurde so lange über Krailling und Planegg umgeleitet. Auch die Verbindungen zwischen Feldafing und Garatshausen, zwischen Aufkirchen und Höhenrain, zwischen Herrsching und Andechs und durch das Mühlthal waren zeitweise nicht passierbar. Zudem wurden sämtliche Wertstoffhöfe aus Sicherheitsgründen geschlossen, teilte der Abfallwirtschaftsverband Starnberg mit.

Entwurzelte Bäume beschädigten auch Dächer und geparkte Autos oder demolierten Stromleitungen, unter anderem in Perchting, Machtlfing und Stockdorf. In Feldafing flog die Überdachung eines Gartenhäuschens aus der Verankerung, in Unering riss der Sturm die Überdachung eines Scheunenanbaus weg.

Viele Fahrgäste der S-Bahnen waren ratlos und mussten viel Geduld beweisen, bis sie ihre Reise fortsetzen konnten, beispielsweise in Gauting. Vergebens warteten sie zuerst auf eine S- Bahn und dann auf den Schienenersatzverkehr mit Bussen. Eine Münchnerin etwa wollte ihre Mutter zum 93. Geburtstag in Tutzing besuchen, kam aber einfach nicht weiter. Eine Studentin verlegte ihre Reise nach Regensburg lieber gleich auf den Donnerstag, andere riefen ihre Vorgesetzten im Büro an, als sich zeigte, dass sie sich über Stunden verspäteten. So eine jüngere Frau, die am Starnberger Bahnhof Nord in einem dicken Buch las, um das lange Warten erträglicher zu machen. Viele versuchten, Taxen zu ergattern, deren Fahrer am Orkantag ein glänzendes Geschäft machten. Der Ausfall der S-Bahn bescherte ihnen viele Kunden, fünf Münchner Taxifahrer standen am Bahnhof in Feldafing bereit.

Dagegen lief das Geschäft im Starnberger Bahnhofskiosk am See eher schlecht. Es erschienen kaum Kunden und keiner kaufte Fahrkarten. So eine lange Streckensperrung habe sie "hier noch nie erlebt", erzählte eine Mitarbeiterin, die seit 22 Jahren in dem Laden tätig ist. Am anderen Ende der Unterführung peitschen die Wellen des Starnberger See gegen die Promenade, auf der sich aber nur wenige Spaziergänger verirrten. Es war so stürmisch, dass an einem Souvenirgeschäft Rollläden heruntergelassen waren.

Auf der Wetterstation Hohenpeißenberg wurde mittags eine Spitzenböe von 153 Stundenkilometern gemessen. Sie könne sich nicht daran erinnern, wann zuletzt ein so heftiger Sturm über die Region gefegt sei, sagte eine Wetterbeobachterin.

© SZ vom 01.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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