Starnberg:Vom Hotel zum Slum

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Junispiele bringen Shakespeare und Poetry-Slam unter einen Hut

Dieses Dorf der Künstler muss ein erstaunlicher Ort sein: Die Häuser haben keine Türen, es gibt weder Klos noch Duschen oder ein Abwassersystem. Und der Gestank, der den Besuchern entgegenschlägt, ist angeblich unfassbar. Aber dafür entschädigt die Stimmung in dieser turbulenten Kathputli Art Colony - einer großen Gemeinschaft, in der "jeder jeden kennt und sich jeder vom anderen etwas beibringen lässt", wie es die Fotografin Hann Schlüter beschreibt. Wer durch die Straßen streift, erlebt Feuerspucker und Puppenspieler, Zauberer, Tänzer und Affentrainer, Akrobaten und Musiker. Doch die Tage des indischen Künstlerslums sind gezählt. Es soll bald Hochhäusern weichen.

Mit Schlüters Fotoausstellung im Tutzinger Keller, kombiniert mit der preisgekrönten Doku "Tomorrow we disappear", einer Lesung zeitgenössischer indischer Texte und passendem Essen, nähern sich die Junispiele "Schön jung" heuer ihrem Ende. Der Abend könnte fast schon sinnbildlich für all das stehen, was die von Elisabeth Carr erfundene Reihe auszeichnet: Er ist bunt und ein bisschen abseitig, er bringt die Begegnung mit jungen Künstlern. Er zoomt ein Thema ganz nah heran, das sonst nie auf den Bühnen und in den Kleinkunstkneipen dieser Republik verhandelt wird, und er hat das Zeug, nachdenklich zu stimmen. Wäre das nicht auch toll, wenn es das in einem furchtlosen Deutschland gäbe: Häuser ohne Türen?

Die zweite Ausgabe des kleinen Festivals ist deutlich komprimiert worden. Im Vorjahr hatte Carr zehn Veranstaltungen angesetzt, heuer sind es lediglich fünf. Geblieben ist der Hang zum Ortswechsel, wobei dieses Mal konventionellere Spielorte dominieren. Und statt Spektakulärem wie der Modenschau auf dem Wertstoffhof gibt es Shakespeare und Poetry Slam. Auftakt ist am Samstag, 11. Juni, 19 Uhr, in der Starnberger Schlossberghalle mit "Romeo und Julia" in der Fassung von Peter Francesco Marino. Der junge Komponist ist zugleich Leiter des Ickinger Vokalensembles. Die Autorin Barbara Kindermann hat den Originaltext in unprätentiöse, aktuelle Sprache gebracht, als Sprecherin tritt die Schauspielerin Belle Schupp auf. Nächste Woche geht es mit "So viel Emotionen" weiter: Die deutsche Poetry-Slam-Meisterin Fee und die jungen Münchner Singer-Songwriter Lucie Mackert und Peter Fischer geben sich im Starnberger Hotel Bayerischer Hof die Ehre. Die Party geht anschließend am Seeufer weiter (15. Juni, 20.30 Uhr).

"Die Gottesanbeterin" nennt sich schließlich eine Mischung aus Tanz, klassischer Gitarrenmusik und Lesung im Altenheim von Schloss Garatshausen (17. Juni, 19.30 Uhr). Und nach dem Indien-Abend in Tutzing (18. Juni, 21 Uhr) folgt das Finale: Die Musiker Matthias und Maria Well spielen am 19. Juni, 18 Uhr, auf der Roseninsel. Karten und Infos unter www.kunstraeume-am-see.de.

© SZ vom 09.06.2016 / sum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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