Starnberg:Unerschwinglich hoch

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Im Landkreis ist es schwierig, Wohnungen und Häuser zu finden, die Mieten und Grundstückspreise übersteigen bei weitem das, was sich Otto Normalverdiener leisten können. Mit drei Projekten will man gegensteuern

Von Christiane Bracht

Einen guten Job zu finden, ist im Fünfseenland nicht so schwierig - jedenfalls wenn man der Starnberger Arbeitsagentur glaubt. Aber eine bezahlbare Wohnung in der Nähe seines Arbeitsplatzes zu bekommen, ist für Normalverdiener eine echte Herausforderung. Der reiche Landkreis Starnberg lockt eben vor allem sehr betuchte Leute an, und das spiegelt sich auch in den Preisen wieder - nicht nur wenn man in die Geschäfte geht, sondern auch wenn man den Immobilienmarkt anschaut. Und nach einer Studie der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (Gfw) wird sich das Wohnproblem in den kommenden 25 Jahren für Normalverdiener noch verschärfen. Derzeit beträgt die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter im Landkreis 14,76 Euro. Für viele ist das unerschwinglich. Wer kann es sich schon leisten, die Hälfte seines Monatseinkommens oder gar mehr allein für die Miete auszugeben? Kleine Wohnungen gibt es zudem kaum. Der Verband Wohnen baut zwar schon seit Jahrzehnten günstige Mietwohnungen, doch der Bedarf ist weit höher. Die Folge: Die Warteliste wird lang und länger. Einziehen darf meist nur, wer auf soziale Unterstützung angewiesen ist. Wer nur wenig mehr verdient, kann auf diese Hilfe nicht hoffen. Die Studie, die die Gfw in Auftrag gegeben hat, geht davon aus, dass derzeit gut 1800 Wohnungen fehlen, baut man so weiter wie bisher, werden es bis zum Jahr 2030 sogar rund 5500 Wohnungen sein - ohne den gestiegenen Bedarf für Flüchtlinge einzurechnen. Zwar haben die Gemeinden längst erkannt, dass Wohnungen fehlen und in den vergangenen Jahren sind auch einige Mehrfamilienhäuser genehmigt worden. Allerdings viel zu wenige und meist im Luxussegment. Denn Grund und Boden im Fünfseenland ist so teuer, dass Investoren und Bauherren versuchen, finanziell herauszuholen, was geht. Nur wenige neue Wohnungen sind für Otto Normalverdiener erschwinglich. Und so pendeln die meisten zur Arbeit, viele nehmen sogar weite Wege auf sich. Um etwas zu ändern, müsste es private Initiativen geben, sagen die Kommunalpolitiker. Aber wie könnten diese aussehen? Wer verzichtet auf Geld, um erschwingliche Wohnungen zu bauen? Doch es könnte auch anders aussehen: Einige Konzepte gibt es sogar schon.

Mitarbeiterwohnungen

Auf der Suche nach guten Fachkräften haben viele Firmenchefs inzwischen erkannt, dass auch sie mehr bieten müssen als nur einen Arbeitsplatz in idyllischer Umgebung. Denn wer fährt schon gern jeden Tag weite Strecken zur Arbeit? Deshalb hat nun der Unternehmerverband Wirtschaftsförderung Starnberg (UWS) zusammen mit der Gfw eine privatwirtschaftliche Initiative gegründet, die Mitarbeiterwohnungen bauen will. "Wir wollen vorbildhaft vorangehen", sagte Stefan Klein, stellvertretender Vorsitzender der UWS, auf einem Symposium der Gfw zum Thema Wohnraum. "Es reicht nicht, immer nur zu fordern und auf andere zu zeigen, deshalb haben wir uns auf die Suche nach Möglichkeiten gemacht, Wohnraum zeitnah zu schaffen." Dafür sei die Unterstützung von Gemeinden und dem Landkreis wichtig, denn die Initiative basiert darauf, dass sie ein günstiges Grundstück bekommt. Dabei spekulieren die Unternehmer vor allem auf Erbpacht. Die Gemeinden sollen Baurecht schaffen und die Finanzierung sollen lokale Banken sichern, außerdem hofft man auf eine staatliche Förderung. Allerdings wollen sich die Unternehmer nicht an öffentliche Vergaberichtlinien halten, da diese ihrer Ansicht nach kaum zum Ziel führen. UWS und Gfw wollen lieber selbst überlegen, wer in die Wohnungen einziehen darf: Singles? Familien? Oder auch Auszubildende? Sie denken sogar darüber nach, ob sie Kontingente vergeben sollen oder Einkommensgrenzen bestimmen. Auch die Frage, wie lange man eine derartige Wohnung nutzen darf, muss noch diskutiert werden. Auf jeden Fall will man mit den Mieteinnahmen keine Rendite machen, sie sollen vielmehr eine Art Aufwandsentschädigung sein. Der Neubau soll laut Klein möglichst kostengünstig errichtet werden, in Modularbauweise vielleicht sogar vorgefertigt. Auch das könne man architektonisch ansprechend lösen, verspricht der Starnberger Projektentwickler. Dabei rechnet er mit Baukosten von etwa 1400 Euro pro Quadratmeter. Im Herbst soll bereits das erste konkrete Projekt verwirklicht werden: ein Azubi-Wohnheim. Man sei bereits mit einer Gemeinde im Gespräch. Welche das ist, wollte Klein vorerst nicht verraten. Wenn alles gut läuft, könne man Anfang nächsten Jahres mit dem Bau beginnen. "Es könnte ein Pilot sein, aber das geht nur im Netzwerk, wenn Sie uns tatkräftig unterstützen", appellierte er an Unternehmer, Banken und Gemeinden.

Mehrgenerationenwohnen

"Der Mensch ist ein soziales Wesen", weiß Martin Okršlar von der Maro Genossenschaft, die im Umland von München schon einige Projekte verwirklicht hat, zuletzt in Weilheim. 30 Personen wohnen dort im Haus, ein Drittel Familien, ein Drittel Singles, vornehmlich Witwen und Senioren, aber auch ganz normale Leute - sicher keine Althippies. "Es ist vielmehr der Querschnitt der Bevölkerung", erklärt Okršlar. Das Genossenschaftswohnen, so wie es die Maro in Weilheim initiiert hat, ist auf gute zwischenmenschliche Beziehungen ausgerichtet. Das Prinzip ist einfach: Wer sich kennt, hilft sich gegenseitig. So etwas geht freilich nicht auf Knopfdruck und auch nicht verpflichtend, weiß der Maro-Vorstand. "Es entsteht auch nicht von allein, man muss die Leute vielmehr dort hinführen." Und so organisiert die Genossenschaft schon zwei oder drei Jahre vor dem eigentlichen Einzug Treffen mit den Interessenten, die in dem Neubau wohnen wollen, damit sie sich kennenlernen. Und auch in dem fertigen Bau ist ein Gemeinschaftsraum eingeplant. Vor allem für Menschen, die keine große Verwandtschaft haben, ist diese Art des Wohnens von Vorteil, wirbt Okršlar. Die Baukosten betragen brutto etwa 1080 Euro pro Quadratmeter, erklärt er. Mit dabei ist ein Keller, aber keine Tiefgarage. Der Preis ist deshalb so günstig, weil die Hälfte der Wohnungen staatlich gefördert ist, denn ein Teil der Bewohner, wird finanziell vom Staat unterstützt. Jeder Bewohner ist Mitglied in der Genossenschaft und damit Miteigentümer. Auf diese Weise kümmern sie sich viel mehr um ihr Haus. Insgesamt hat die Maro 340 Mitglieder, darunter sieben Kommunen und zwei Stiftungen. Das Eigenkapital liegt bei 3,9 Millionen Euro, so Okršlar. Für ihre Häuser zahlt die Genossenschaft den Bodenrichtwert. Sie hofft allerdings schon, dass die Gemeinden ihnen zu Grundstücken verhilft. Dafür könne man per Satzung Einheimischen ein Vorrecht einräumen, erklärt Okršlar. Auch Private oder die Kirche habe schon Flächen an seine Gesellschaft verkauft, aber die Planung dauere eben sehr lange, so viel Geduld haben Privatleute meist nicht. Die Maro-Genossenschaft kann sich vorstellen, auch im Landkreis Starnberg zu bauen, erklärt der Vorstand.

Baugemeinschaft

Wer etwas mehr Geld zur Verfügung hat, aber nicht so viel, dass er ein großes Haus im Fünfseenland bauen könnte, für den gibt es die Möglichkeit mit Hilfe einer Baugemeinschaft seinen Traum vom eigenen Heim zu verwirklichen. Das Münchner Architekturbüro Plan Z hat sich darauf spezialisiert derartige Baugemeinschaften zusammenzuführen und bei der Realisierung des Projekts zu beraten und zu unterstützen. Auf der so genannten Tutzinger Obstbaumwiese ist ein derartiger Bau mit zwölf Eigentumswohnungen bereits realisiert. In München gibt es ebenfalls einige Beispiele für Baugemeinschaften. Im Unterschied zum Bauträger treten die Mitglieder, die sich zur Gesellschaft Bürgerlichen Rechts zusammenschlossen haben, selbst als Bauherr auf. So können sie ihre Vorstellungen verwirklichen, nicht nur in der eigenen Wohnung, sondern auch was zum Beispiel die Fassadengestaltung angeht. Außerdem geht jede Ersparnis zu ihrem Vorteil, denn es müssen keine Gewinne finanziert werden, und es entsteht ganz nebenbei ein soziales Miteinander, dass die Architekten von Plan Z moderieren und betreuen. Wie bei der Genossenschaft gibt es auch hier Gemeinschaftsräume. Man kann das Projekt laut Architekt Michael Lehner zudem ebenfalls als Einheimischen Modell anlegen. Die Tutzinger Baugemeinschaft ist dieses Jahr sogar bei den Architektouren am 26. Juni mit dabei, ein Zeichen dafür, dass es auch äußerlich ansprechend gestaltet ist. Finanziell bewegen sich die Baukosten inklusive Grund laut Lehner bei etwa 3800 Euro brutto pro Quadratmeter. Auch die Baugemeinschaften hoffen auf die Hilfe der Gemeinden, denn die Projekte müssen erst entwickelt werden, sprich: alle Bauherren müssen an Bord sein und die Planung feststehen, bevor der Kauf stattfinden kann und das dauert etwa sechs Monate. Solange wollen Privatleute in der Regel nicht warten. Zudem müssen die Grundstücke eine gewisse Größe haben. Auch im Fall von Tutzing handelte es sich um ein kommunales Areal, das nur deshalb nicht an einen Bauträger gegangen ist, weil die Gemeinschaft die Obstbaumwiese weitestgehend erhalten wollte, was den Gemeinderäten sympathisch war. Bürgermeister Rudolph Krug gibt aber noch heute zu: "Wir haben es damals als Experiment gesehen."

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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