Starnberg:Unbequem spannend

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Unvorhersehbare Wendungen: Florian Eggner, Wolfgang Muthspiel und Benjamin Schmid (v.li.) im Konzert. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Austrian String Trio spielt in der Schlossberghalle virtuose Musik voller Reibung und Poesie

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Keine Frage: Die Mitglieder dieses Trios gehören zu den Besten ihres Fachs. Allerdings sind alle drei auch sehr eigenwillige Musiker mit einem ausgeprägten eigenen Stil. Insofern fiel es im Vorfeld schwer, sich vorzustellen, was beim Zusammenspiel von Benjamin Schmid (Violine), Florian Eggner (Violoncello) und Wolfgang Muthspiel (Gitarre) im Austrian String Trio herauskommen würde, zumal Muthspiel für dieses Schlossberghallen-Konzert in der Reihe "All that Jazz @ Starnberg" auch als Sänger angekündigt war. Aber hinterher ist man schlauer - dachte man. Und irrte. Jedenfalls wenn es darum geht, die Musik in Worte zu fassen.

Kein einziges Stück dieses Abends blieb klar in einer bestimmten Charakteristik verhaftet, selbst wenn es sich um die wunderbar schwebende Melodielinie einer Vokal-Ballade handelte und Muthspiel seine gesanglichen Qualitäten unter Beweis stellte. Die Musik der drei Österreicher ist selten geschmeidig, meist eher kantig, nicht selten sperrig, voller Spannung, unvorhersehbar und im Grunde auch nicht eingängig.

Denn kaum kristallisiert sich eine klar erfassbare, durchaus auch schönharmonische Melodie heraus, folgen auf den Fuß schon Misstöne, die diese Errungenschaft hinterfragen, das Ergebnis überzeichnen, eintrüben, stören und übertönen, dabei aber immer am Rande des Verständlichen und Erfassbaren bleiben.

Wie empfindlich der instrumentale Satz angelegt war, davon konnten sich die zahlreichen Zuhörer in der Schlossberghalle schon im eröffnenden Fünf-Viertel-Kanon überzeugen - in einer Konzertphase, die in der Regel dem Tontechniker gehört und dazu gedacht ist, die durch Konzertbesucher abgewandelte Saalakustik am Mischpult nachzutarieren. Erst als der schmale Grat der klanglichen Homogenität ausbalanciert war, wich das Chaos und stellte sich ein transparenter Ensembleklang ein. Aus den drei sich anstachelnden und gegenseitig störenden Linien wurde nun ein Klangraum voller Spannungen und Reibungen, aus dem solistische Improvisationen ausbrachen und sich darüber schwebend in musikalischen Weiten ergehen konnten. Da steckte viel Poesie in der Umsetzung, vor allem im Gesang der brillanten Streicher, aber auch im filigran-virtuosen Part der Gitarre, die mit den Möglichkeiten einer kompletten Combo-Rhythmusgruppe - Harmonien, Rhythmus, Bass, Groove, Begleitfiguren - den Dreh- und Angelpunkt des Trios bildete.

Alle drei sind dem klassischen Fach nicht abgeneigt, sie ließen sich daher immer wieder gerne auf komplett durcharrangierte und ausgeschriebene Konstellationen ein, um etwa in klangstarken und -satten Unisono-Passagen mächtige Energien zu entladen. Das Trio verstand es, scharf rhythmisiert weite Wogen auszulösen. Als geradezu perfektes Vehikel dafür erwiesen sich Grooves und ostinate Begleitfiguren, die sich nicht nur bei der Anwendung von repetitiven Sampler-Live-Einspielungen als unverzichtbar erwiesen, sondern ein weiteres Türchen aufstießen: zu weit zurückliegenden Epochen, als diese Prinzipien des Jazz, Funk, Rock, Pop auch schon in der Alten Musik zu Hause waren. Etwa bei Bach, dessen langsamer Satz aus dem E-Dur-Violinkonzert großartiges Material bot, Magie zu verbreiten, von Schmid virtuos mit behutsam sich schlängelnden Melismen neu arrangiert.

Der Auftritt des Austrian String Trio wäre sehr lückenhaft beschrieben, würde man sich nicht auf das improvisatorisch-experimentelle Feld des Ensembles begeben. Hierin unterschieden sich die drei Musiker am deutlichsten voneinander. Doch gerade die Experimentierfreude brachte die Drei auch wieder zusammen. Klangspielereien, ungewöhnliche Spieltechniken und eigenwillige Rhetorik, zum Teil bekannt aus der Neuen Musik, waren ein probates Mittel, fesselnde Soli und Überleitungen zu kreieren, Spannung aufzubauen, oder sich einfach nur gemeinsam auf die Suche nach neuen Wirkungen im Zusammenspiel zu begeben.Am Ende gab es dafür reichlich begeistern Applaus und die vergnügte Ballade "Amelie" von Florian Eggner als Zugabe.

© SZ vom 22.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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