Starnberg:Trennungsschmerz

Lesezeit: 4 min

Am Umgang mit dem Abfall lassen sich auch politische Entwicklungen verdeutlichen. Gerade im Landkreis Starnberg, der seinen Müll nie auf seiner Flur behalten wollte

Von Wolfgang Prochaska, Starnberg

In der Tiefgarage des Landratsamts Starnberg wartete schon ein Trupp des Bundesgrenzschutzes auf seinen Einsatz, um den Landrat und die Kreisräte in der Sitzung des Kreistages vor den wütenden Demonstranten schützen zu können. So sehr hatte sich die Diskussion um den Standort einer Mülldeponie in Gilching aufgeschaukelt, dass man im Landratsamt mit dem Schlimmsten rechnete. Es kam zu keinem Einsatz. Aber eine Mülldeponie wurde auch nie gebaut. Das war Anfang der neunziger Jahre und die hitzige Reaktion zeigte, dass die Müllentsorgung zum Politikum geworden war. Wenn am Dienstag, 19. Mai, um 18 Uhr der Abfallwirtschaftsverband Starnberg (Awista) sein 50-jähriges Bestehen mit einem großen Fest in der Starnberger Schlossberghalle feiert, wird es ruhiger zugehen. Die wilden Jahre sind schon lange vorbei. Aus der Müllentsorgung ist eine Müllverwertung geworden, mit der sich gut Geld verdienen lässt. Und weil der Starnberger Restmüll in München verfeuert wird, sind auch keine Demos mehr zu befürchten.

Die Anfänge

1965, genau am 5. Mai, als der "Zweckverband zur Müllbeseitigung" gegründet wurde, dachte man noch recht pragmatisch. Es machten nicht alle der damals 48 Gemeinden im Landkreis mit. Berg, Breitbrunn, Feldafing, Gilching, Hechendorf, Herrsching, Hochstadt, Oberpfaffenhofen, Percha, Pöcking, Söcking, Weßling und Starnberg hießen die Mitglieder dieser schüchternen Gründung. Zwar waren in dieser Zeit die Abfallmengen angewachsen, aber die Mülldeponien, die jedes Dorf am Ortsrand betrieb, hatten noch genügend Kapazitäten. Eine 50 Liter-Tonne kostete im Jahr 30 Mark samt Sperrmüllabholung. Wie Awista-Geschäftsführer Peter Wiedemann berichtet, gab es bis zu 60 Hausmülldeponien im Landkreis. "Jeder hatte seine häusliche Müllverbrennungsanlage und die Asche wurde im Winter als Streumittel auf Gehwege verteilt", erinnert er sich. Und dass die Deponien vor sich hin kokelten, war auch selbstverständlich. Bis heute beschäftigen sie noch mit ihren Altlasten die Rathäuser und Ämter. Ein Altlastenkataster hat genau ihre Lage erfasst. Aktuell ist gerade der Fall Gilching, wo am Ortseingang gegenüber dem Autohaus ein Gewerbegebiet entstehen soll. An dieser Stelle liegt eine alte Deponie. Damals jedoch fuhr am Freitag oder am Samstag ein Leiterwagen durchs Dorf und sammelte die Abfälle ein - oder man brachte sie selber zur Deponie, die meist eine alte Kiesgrube war. Dies änderte sich in den 60er Jahren nur allmählich. Erst 1975 schlossen sich alle Gemeinden des Landkreises dem Verband an. Zwei Jahre zuvor war die Umladestation in Unering in Betrieb gegangen. Schaut man sich die alten Fotos an, würde man von Umweltfrevel sprechen.

Müllentsorgung im Abfallwirtschaftsverband Starnberg (Foto: dpa)

Die wilden Jahre

Erst 1978 kam wie ein zartes Pflänzchen der Gedanke der Mülltrennung auf: eine Altglassammlung wurde eingeführt. In Krailling war man schon weiter, dort gibt es seit 1974 ein Müllsacksystem. Ende der 70er Jahre stieg das Umweltbewusstsein, die Grünen machten als junge Partei politischen Druck. Nicht anders ist die Einführung der Wertstofftonne 1985 zu verstehen und des Giftmobils, denn nicht nur der Müllberg stieg, die Abfälle wurde auch immer toxischer. Somit nahmen die Gefahren deutlich zu. Den Starnberger Abfall karrt man nach Gallenbach bei Augsburg auf eine Deponie, die sich später als problematisch erweist und zum Sanierungsfall wird. An der Sanierung muss sich auch der Landkreis beteiligen und zahlt bis heute einen sechsstelligen Betrag pro Jahr. Als der damalige Landrat Rudolf Widmann (FDP) einen Standort für eine eigene Deponie sucht, wird die Müll-Problematik politisch virulent. Die Gemeinden der möglichen Standorte, unter anderem Tutzing und Gilching, wehren sich vehement gegen das Projekt. Im Starnberger Kreisrat wird über Formen der Müllentsorgung gestritten und ideologische Gefechte ausgetragen. Befeuert von dem Volksbegehren "Das bessere Müllkonzept" im Jahr 1990 erfährt der Umweltschutzgedanke auch bei der Müllentsorgung mehr Aufmerksamkeit und mehr Gewicht. Abfall wird als potenzieller Wertstoff erkannt, der recycelt werden sollte. Von Ressourcen-Schonung ist die Rede und das politische Tempo geben die Grünen außerhalb der Gremien vor. Die Bioabfälle werden nun gesammelt, ebenso der E-Schrott, der Gelbe Sack wird eingeführt und endlich die Umladestation Unering geschlossen, die danach saniert werden muss. 1997 kommt der wohl wichtigste Schritt: Der Awista wird zum Eigenbetrieb.

Die neue Zeit

Die Jahrtausendwende wird auch für den Awista zur Wende. In den Gemeinden werden Wertstoffhöhe errichtet, eine neue Umladestation für Restmüll in Weßling kommt hinzu, sodass weniger Müllwagen nach München rollen, das Thema Wertstofftrennung wird immer wichtiger, was auch dazu führt, dass die Starnberger brav trennen: die Quote liegt bei fast 80 Prozent. Statt des Papiersackes gibt es eine Papiertonne. Und damit genau und ehrlich abgerechnet werden kann, ist jeder Müllbehälter mit einem Identifikationssystem gekennzeichnet. 2005 übernimmt der Awista alle Wertstoffhöfe. Allmählich wird aus einem Müllverband ein Rohstofflieferant, der sich seines Schatzes immer mehr bewusst wird.

Die Chefs des Starnberger Abfalls: Landrat und Verbandschef Karl Roth (re.) und Awista-Geschäftsführer Peter Wiedemann. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

War noch unter Landrat Widmann in den 90er Jahren die Entsorgung das große Thema - als Starnberg seinen Müll bis an die Ostsee transportierte, wurde der Landkreis als Müll-Exporteur beschimpft - steht unter seinem Nachfolger Heinrich Frey (CSU) schon die Mülltrennung im Fokus. Dennoch hängt den Starnbergern das schlechte Image in punkto Müll immer noch nach. Das erlebt immer noch der heutige Landrat Karl Roth (CSU). "Der Landkreis Starnberg ist zu schön für Müll" - dieser Spruch führte zum Ausdruck die "Starnberger Müll-Schweine". Man sieht: Es ging früher sehr deftig zu, und es wurde nicht nur im Kreistag viel Müll geredet: Erinnert sei an den Vorschlag, für alle Haushalte kleine Müllhäuschen einzuführen. Es war die damalige Kreisrätin Gisela Forster, die zuerst bei den Grünen war und später ihre eigene Fraktion gründete, die diese Idee hatte. Dass sich der Awista-Geschäftsführer Peter Wiedemann ausbuhen lassen musste, als er in einer Info-Veranstaltung in Weßling die Pläne für die Umladestation vorstellte, gehört auch zu jener Zeit, die heute so fern scheint. Heute denkt man an die Sanierung der Wertstoffhöfe und die Sanierung der Grüngutsammelstelle in Hadorf. Vor allem diskutiert man die Frage, wie soll sich der Awista künftig aufstellen? Wie könnte ein neues Konzept ausschauen, da die alten Verträge spätestens im Jahr 2018 abgelaufen sind?

Die Zukunftspläne

Das Stichwort für das neue Konzept könnte Rekommunalisierung lauten. Also alles in der Hand des Awista. Auch die Abholung des Mülls und dessen Verwertung. Dass es der Abfallverband kann, zeigt das eigene Auto für die Grüngutabfälle, die in Eigenregie abgeholt und transportiert werden. Das sind neue Einnahmen. Wie aber Landrat Roth und Geschäftsführer Wiedemann erläutern, wird derzeit am neuen Konzept intensiv gearbeitet und im Herbst erste Ergebnisse den Kreisräten vorgelegt. Es sei nicht damit getan, dass man sich eine neue Flotte von Müllwagen anschaffe und alles selber mache, es müssten noch viele rechtliche Dinge geklärt werden, so Roth und Wiedemann. Dass der Awista noch mehr Service will, steht auf jeden Fall fest.

So sah die Umladestation Unering einmal aus. (Foto: Mannert)

Die Feier in der Schlossberghalle am 19. Mai, 18 Uhr, wird nicht nur Landrat Roth bestreiten. Es gibt Vorträge, Musik-Kabarett mit Stephan Zinner, eine Ausstellungseröffnung und viel Musik.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: