Starnberg:Staubsaugen im Kakteenfeld

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Beim Videoart-Programm dominieren bizarre Geschichten

Von Gerhard Summer, Starnberg

Der Jäger wird zum Gejagten. Putzfrauen mit Kopftüchern saugen Felsen und Steine in einem Kakteenfeld. Und in einem Wohnzimmer, das im Stil der Fünfzigerjahre eingerichtet ist, springt immer wieder ein Fisch aus der Kaffeekanne. Wer kurzweilige, absurde, irritierende oder auch merkwürdige Filme schätzt, hatte beim 10. Fünfseen-Filmfestival die Wahl: Zum einen standen von Sonntag bis Dienstag 25 Kurzfilme auf dem Programm, zum anderen gab es in der Reihe "Odeon" internationale Videoart. 19 Beiträge zum Thema "Das Fremde im Eigenen" hatten die Künstler Juschi Bannaski, Rasha Ragab, Christoph Nicolaus und Roman Wörndl aus Kairo, München und Berg diesmal ausgesucht. Die Gewinner stehen bereits fest: Der mit 500 Euro dotierte Publikumspreis geht an Sven Johnes "A Sense of Warmth" über die Illusion eines Leben im Einklang mit der Natur. Den Hauptpreis und 1000 Euro sprach die Jury Nira Peregs "Sabbath 2008" zu, einer Art Hörspiel über die Abschottung eines ultraorthodoxen Jerusalemer Viertels.

Beide Beiträge waren beim ersten der zwei Videoart-Programme im Kino Starnberg zu sehen - neben sieben weiteren kurzen Filmen aus Deutschland, Saudi-Arabien, Australien und den USA. Die Produktionen sind zwischen 1976 und 2015 entstanden, wie Wörndl und Nicolaus in ihrer Moderation erklärten. Die Filmqualität sei bei der Auslese nicht so wichtig gewesen, die Kuratoren gingen mehr nach Inhalt. Und die Bandbreite reichte von verstörenden Werken wie "Sayal" von Ragab und Nicolaus, die den Zuschauer mit einer einzigen, fast neunminütigen Einstellung aus der Reserve locken wollen, über Animationsfilme bis hin zu konventionell erzählten Geschichten wie "A Sense of Warmth". Gerade die aberwitzigen Arbeiten dürften den meisten Zuschauern im Gedächtnis bleiben: Graham Garrett Uhelskis "Doppelgänger" etwa, eine Elchjagd zu munterer Countrymusik, die als Alptraum endet, weil der Jäger in eine Art Zeittunnel gerät, sich selbst begegnet und schließlich dutzendfach gedoppelt und blutverschmiert durch den Wald irrt. Auch Julian Rosefeldts "Asylum" hat diese absurde Qualität: Chinesen, Vietnamesen, Türken, Kosova-Albaner and Afghanen geben sich scheinbar völlig unsinnigen Arbeiten hin. Männer versuchen, Zeitungen vor einer Windmaschine zu stapeln, was nicht gut gehen kann. Köche sitzen in einer Art Affengehege und spielen mit Stäbchen. Frauen, die aufgetakelt sind wie Prostituierte, wischen den Staub von asiatischen Figuren.

Veronika Veits "Die Faust" schließlich zeigt ein leicht gestörtes Idyll: Mutter und Tochter sind mit Garnwickeln beschäftigt, blöderweise springt immer wieder ein Fisch aus der Kaffeekanne, wenn eine Faust auf den Tisch schlägt, und zappelt herum. Was macht Mutti? Sie beißt dem Fisch den Kopf ab, kaut knirschend daran und zieht sich danach entspannt die Lippen nach.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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