Starnberg:Stadtrat verklagt Bürgermeisterin

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Das Gremium ist überzeugt davon, dass Eva John Beschlüsse zur Seeanbindung aus dem Vorjahr trotz ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht vollzogen hat.

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Vorgang dürfte absoluten Seltenheitswert in Bayern haben, und er wirft ein düsteres Licht auf die Zustände in Starnberg: Der Stadtrat hat auf einen Dringlichkeitsantrag hin beschlossen, die eigene Stadt zu verklagen. Was auf den ersten Blick kurios erscheinen mag, hat einen ernsthaften Hintergrund. Das Gremium ist mehrheitlich zur Überzeugung gelangt, dass Bürgermeisterin Eva John Beschlüsse des "Projektausschusses Bahnhof See" und des Stadtrates aus dem Vorjahr trotz ihrer gesetzlichen Verpflichtung und entgegen anderslautender Zusagen nicht vollzogen hat. Zweiter Bürgermeister Klaus Rieskamp soll nun gegebenenfalls die notwendigen Schritte für eine Klage vorm Verwaltungsgericht einleiten und einen Rechtsanwalt zur Prozessvertretung beauftragen. Die "Seeanbindung" gilt als wichtigstes Thema der Kreisstadt. Bis zum Jahresende ist der Bahnvertrag aus dem Jahr 1987 befristet. Was danach kommt, steht in den Sternen. Dabei geht es um ein komplexes, bislang teilerfülltes Konstrukt, dass unter anderem eine Rückgabe von Bahngrundstücken an die Stadt und eine strittige Gleisverlegung am Bahnhof See vorsieht.

Bereits im Juli 2015 hatte Stadträtin Annette von Czettritz (Grüne) konkret Auskunft über die Folgen einer Nichterfüllung des Vertrags durch die Stadt gefordert. Im Juli 2016 bekräftigte der Stadtrat diese Forderung und beauftragte Bürgermeisterin John, ein entsprechendes Gutachten in Auftrag zu geben. Zudem sollte sie Gespräche mit der Deutschen Bahn (DB) aufnehmen und spätestens im Juni 2017 umfassend darüber berichten. Doch es passierte nichts. Auch eine Präsentation von Alternativen zur bislang vorliegenden Planung am Bahnhof See erfolgte nicht. Im März 2017 erinnerte die Kommunale Rechnungsprüfung daran, dass die im städtischen Etat ausgewiesene Summe für das Thema "Seeanbindung" kaum ausreichen werde. Der Stadt wurde dringend empfohlen "sparsam mit ihren Geldern umzugehen" und Investitionen zu priorisieren - auch im Hinblick auf Verpflichtungen aus dem Vertrag mit der DB. Unklar ist, ob und in welcher Höhe Kosten für die Seeanbindung anfallen. Doch erst Mitte April hat John nach eigener Auskunft eine Kanzlei beauftragt. Weil sie zunächst keine Auskunft zu dieser Frage geben konnte, musste die Sitzung unterbrochen werden. John nannte kurz darauf zwar das Datum der Auftragserteilung, äußerte sich aber nicht zur inhaltlichen Fragestellung des Gutachtens. Unklar ist, wann die Expertise vorliegt. Sollte das Gutachten jedoch noch binnen der nächsten 14 Tage auftauchen, will man in diesem Punkt von einer Klageerhebung absehen.

Patrick Janik (UWG) formulierte im Namen von elf Unterzeichnern seinen Unmut über die "Verweigerung des Vollzugs" der Beschlüsse durch die Bürgermeisterin. Eine gewissenhafte Entscheidung des Stadtrats ohne Kenntnis der Folgen eines Auslaufens des Vertrags in nur fünf Monaten sei nicht möglich. In der Vorwoche war die Sitzung des Projektausschusses Bahnhof See gestrichen worden; die Bürgermeisterin saß in einem Schülerkonzert. Der Stadtrat geht davon aus, dass John auch weiterhin die Beschlüsse nicht vollziehen wird.

Dass den Starnbergern das Thema auf den Nägeln brennt, dokumentierten am Montag zwei Bürgeranfragen: Rudi Nirschl thematisierte den Katalog zur Seeanbindung und fragte: "Wann gibt es Ergebnisse?" Und Beatrice Duday wollte wissen, wann John zuletzt Gespräche mit der DB geführt hat, wie es mit den seit Jahren fehlenden Überdachungen am Bahnsteig steht und wann das historische Bahnhofsgebäude nutzbar ist.

© SZ vom 26.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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