Starnberg:Sex, Lügen und kein Video

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Jugendschöffengericht berät über angebliche Vergewaltigung

Von armin greune, Starnberg

Stünde nicht der Vorwurf der Vergewaltigung im Raum, könnte man die Szene komisch finden: Auf der Schlafcouch im Zimmer ihres Sohnes trifft eine 43-Jährige dessen Freund und ein junges Mädchen in Flagranti an. Ebenso überrascht ("Ich wollte nur Hallo sagen") wie empört schreit die Mutter auf, schwingt ihren Pantoffel und schlägt auf das nackte Paar ein - was erst nach dem dritten Hieb Erfolg zeitigte, wie die heute 51-Jährige vor dem Starnberger Jugendschöffengericht aussagt. Sie sei über die Situation damals alles andere als amüsiert gewesen, denn drei kleine Kinder und ihr Mann hätten sich in der Wohnküche nebenan aufgehalten. Sie habe das Paar dann halbnackt vor die Tür gesetzt.

Was die Zeugin als "ganz normalen Sex" aufgefasst hat, schildert die junge Frau als Alptraum: Sie sei als 16-Jährige vom damals 17- oder 18-jährigen Angeklagten gegen ihren Willen festgehalten und zum Verkehr gezwungen worden. Nach dem resoluten Einschreiten der 51-Jährigen "weiß ich nicht mehr, wie ich da rausgekommen bin", sagt die heute 24-Jährige vor Gericht. Völlig aufgelöst sei sie dann zu einer Freundin gelaufen, der sie sich anvertraute. Die Freundin und deren Mutter hätten ihr daraufhin geraten, zur Polizei zu gehen. Doch sie habe aus Scham nicht Anzeige erstattet, obwohl sie noch zwei Tage Schmerzen lang verspürte und seit der Tat deswegen unter psychischen Probleme leide.

Auch einem jungen Starnberger, der von August bis Dezember 2014 eine Beziehung mit der 24-Jährigen führte, hatte sie von der traumatischen Erfahrung erzählt. "Das Thema Vergewaltigung ist öfter aufgetaucht, es hat ihr sehr zu geschaffen gemacht", sagt der Starnberger vor Gericht aus: "Sie hat häufig geweint." Als er nach einer verpatzten Weihnachtsfeier "sehr enttäuscht und sehr alkoholisiert" war, habe er die 24-Jährige verletzen wollen und ihr "eine wirklich böse SMS geschrieben". Darin behauptete er, ein Video gesehen zu haben: Es beweise, dass sie den Sex mit dem angeblichen Vergewaltiger genossen habe. Dieses - frei erfundene - Video veranlasste die junge Frau, schließlich doch zur Polizei zu gehen. Auf der Wache kam auch die Vergewaltigung zur Sprache, sagt die 24-Jährige. Für den ermittelnden Kripobeamten klangen die Vorwürfe "vom Grundsatz her stimmig".

Mit der Vernehmung der 51-Jährigen ist die Anklage allerdings ziemlich ins Wanken geraten. Auch der mittlerweile 26 Jahre alte Beschuldigte gibt an, das Geschehen auf der Couch sei damals von beiden Beteiligten gewollt und vorangetrieben worden. Der Freund, mit dem man eigentlich zu dritt habe DVDs anschauen wollen, hatte kurz zuvor sein Zimmer verlassen. Seine Aussage steht noch aus, ebenso die der Freunde, zu der sich die 24-Jährige damals flüchtete. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 03.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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