Tanzen im Landkreis:Schwieriges Parkett

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Sind die Starnberger alle Tanzmuffel? Nein, es ist nur nicht leicht, eine Tangoszene auf dem Land lebendig zu halten

Von Otto Fritscher, Starnberg

Nun ja, Diskotheken gab es mal in Starnberg, die Älteren unter uns werden sich daran erinnern. An das "Spinnradl" an der Strandbadstraße, oder den legendären "Waldkeller", als das Forsthaus Mühlthal noch ein Restaurant war und im Anbau angemacht und angetanzt werden durfte. Und heute? Nur noch Tanzmuffel überall? Wenn man mal von Starnbergs Neu-Promi-Bürgerin Helene Fischer absieht, die ja nicht nur singen und unterhalten kann, sondern auch bei Bedarf wie ein Wirbelwind über die Bühne fegt - dank klassischer Musical-Ausbildung.

Natürlich gibt es die klassischen Tanzschulen in Starnberg, Tutzing und Gilching, in denen aus Rumpelfüßlern geschmeidige Tänzerinnen und Tänzer werden sollen. Doch das spielt sich eher im Verborgenen ab, da es kein Tanzlokal mehr im Fünfseenland gibt, in dem man das Gelernte üben und zeigen könnte. Die größten Tanzereignisse im Fünfseenland sind inzwischen ohne Zweifel die Ü-Irgendwas-Partys, die vor allem im Undosa regelmäßig Münchnerinnen und Münchner anzieht - aber nicht, weil man hier so gut abrocken könnte, sondern weil die Quadratmeterdichte mit Menschen des anderen Geschlechts nirgend so groß ist wie hier. Immerhin, im Undosa soll es wieder einen Salsa-Abend geben, den einzigen weit und breit.

Wer nun glaubt, dass im Landkreis Starnberg nur Tanzmuffel wohnen, der kann am Beispiel des Argentinischen Tangos eines Besseren belehrt werden. Tango auf dem Land? Statt Zwiefachem und Polka? Ja, das funktioniert tatsächlich. Etwa in Tutzing, wo Flora Almeida die Tangoschule "Fabrica Tanguera" führt, immerhin gibt es einmal wöchentlich, donnerstags, Anfänger- und Mittelstufenkurse sowie eine Technik-Lektion. Oder in Starnberg, wo ein eingeschworener Kreis um Wilhelm Gromes dem Tango huldigt, oder in Inning, wo Elisabeth Zagel im "Spectacel" regelmäßig zu Workshops und Milongas - Argentino-Tanzabenden - einlädt. Auch im Dießener "Maurerhansl" ist Zagel hin und wieder aktiv.

In Steinebach, im dortigen Kulturbahnhof direkt an der S-Bahn, unterrichtet Tangolehrer Ralf Sartori. "Das ist nicht immer einfach", sagt der Tangolehrer aus München. Zunächst hatte er seine Kurse in einem Raum der Seefelder Schlossgaststätte abgehalten, bis der Raum dort, das Sudhaus für anderweitige Zwecke gebraucht wurde. Die Raumsuche war nicht einfach, aber natürlich passt der Kulturbahnhof gut zum Tango, wenn auch etliche Damen nach den Kursen und Übungsrunden in ihren Stilettos angesichts des Steinfußbodens über Fußschmerzen klagen. Dafür kann man im Sommer nach dem Kurs draußen, etwas trinken und plaudern.

"Tango auf dem Land - das ist einfach persönlicher und vielleicht auch intensiver als in der Stadt", hat Sartori erfahren, der seit den neunziger Jahren diesem Tanz, ja man darf es wohl so sagen, verfallen ist. "Auf dem Land ist man es ohnehin gewohnt, längere Strecken zu fahren", sagt Sartori. Daher orientierten sich viele auch gleich nach München, wo es eine äußerst lebendige Tangoszene gibt - nach Berlin die zweitgrößte in Deutschland. "Insofern stellt es gelegentlich eine Herausforderung dar, die Kurse über längere Zeit am Laufen zu halten", sagt Sartori, der die Berliner Szene gut kennt und darüber auch ein Buch in seiner Reihe "Tango Global" geschrieben hat. Für die Kursteilnehmer hat Tango auf dem Land aber meist einen Vorteil: Die Gruppengröße ist klein, es kann individuell unterrichtet werden, was auch Sartori wichtig ist.

Manchmal geht es aber auch beim Tango, der angeblich so schwermütig ist, aber doch so belebend sein kann, schlicht um den Spaß. Etwa bei den "Tangobars", die Sartori zusammen mit Breitwand-Chef Matthias Helwig zweimonatlich im Seefelder Kino veranstaltet. Das Konzept: Erst ein Film zum Thema Tango, dann selbst rauf auf die Fläche. Eine Veranstaltung, die sich gut etabliert hat. Die nächste Tangobar findet am nächsten Freitag, 27. Mai, 19 Uhr, statt. Gezeigt wird der Film "Sur" von Fernando E. Solanas, ein Klassiker. Reservierung ist empfohlen (telefonisch unter 08152/98 18 98 oder per E-Mail an seefeld@breitwand.com); der Eintritt beträgt 10 Euro.

Zur Vor- oder Nachbereitung bietet Sartori jeweils donnerstags Kurse an, etwa am 26. Mai und am 2. Juni. Von 19 bis 20.30 Uhr sind die Anfänger dran, von 20.45 Uhr bis 22.15 Uhr dann die Fortgeschrittenen. Tango zu lernen, ist sicherlich nicht so einfach wie Discofox oder ein halbwegs ordentlicher Langsamer Walzer. Aber Sartori ist überzeugt, dass sich die Mühe lohnt: "Tango ist eine nonverbale Sprache, deren Faszination wächst, je besser man sie beherrscht."

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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