Starnberg:Schlittenfahrt im Spätsommer

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Patrick Janik (UWG) rügte Umgangsformen und Informationspolitik der Verwaltung. (Foto: Georgine Treybal)

Patrick Janik rügt unverblümt die Stadtverwaltung und den gegenseitigen Umgang im Stadtrat

Von Peter Haacke, Starnberg

Hartgesottene Fans des Starnberger Stadtrats, die - wie zuletzt am Montag - selbst eine vierstündige Sitzungsdauer nicht sonderlich aus der Ruhe bringt, wissen es schon längst: Das Beste kommt immer zum Schluss! Warum nun ausgerechnet der letzte Tagesordnungspunkt des öffentlichen Teils den größten Unterhaltungswert hat, mag der besonderen politischen Konstellation in Starnberg geschuldet sein. Bürgermeisterin Eva John hat bekanntermaßen einen schweren Stand - erst recht, seitdem sich die Mehrheitsverhältnisse im Gremium drastisch geändert haben und sie quasi mit einer Minderheit regieren muss. In der jüngsten Sitzung aber hatte der Punkt "Verschiedenes" eine ganz besondere Würze: UWG-Stadtrat Patrick Janick würdigte die aktuellen Ereignisse in einer Grundsatzrede zur Starnberger politischen Kultur - und sprach Klartext: "Ich biete Ihnen eine Schlittenfahrt an, die Sie nicht vergessen werden", sagte er gerichtet an John, "Sie dürfen das durchaus als Warnung verstanden wissen".

Was war passiert? Noch vor Beginn der Sitzung hatte die einstige WPS-Stadträtin Angelika Kammerl, die ihr Mandat seit Mai für "Die Parteifreien" wahrnimmt, in einer eher unspektakulären persönlichen Erklärung erklärt, sie erachte die "Vorwürfe und Verdächtigungen des Herrn Professor Picker" als "beschämend, unwürdig und haltlos". Sie will sich juristisch dagegen wehren. Picker hatte unterstellt, Kammerl habe ihr Mandat unter falschen Angaben "erschlichen". Dann aber ging es an die Tagesordnung - zumeist sachlich, teils langatmig, aber auch überraschend schnell wie beim zurückgezogenen Antrag Pickers, der seine Hausbaupläne im Landschaftsschutzgebiet nun doch nicht realisieren kann.

Doch unter "Verschiedenes" offenbarten sich wieder einmal die zahllosen Baustellen in der Stadtpolitik. Diesmal gab es besonders viele Anfragen zu diversen Verkehrsthemen, vom Probebetrieb einer "Nase" an der Rheinlandstraße bis hin zur Sondersitzung zur Verkehrsentlastung Starnbergs, die Kiesgrube in Hanfeld, Radwege in Söcking und auf der Hauptstraße, der Gehweg am Hochwald, der Wangener Weiher, die Kosten für die E-Rikscha am Wochenmarkt, die Verhandlungen zum "Centrum", Gespräche mit der Deutschen Bahn, der Ausbau der Grundschule Percha, ein Bauvorhaben in Leutstetten, der Nepomukweg, Terminfragen und anderes mehr.

Und dann kam Janik: Der Rechtsanwalt, der für gewöhnlich eher höflich formuliert, machte seinem Unmut nach eineinhalb Jahren im Amt auf drastische Weise Luft. Er sei extrem verärgert über die "mangelnde Offenheit" der Verwaltung, sagte Janik, denn im Bauausschuss am 14. Juli - es ging um die Causa Picker - habe John dem Gremium die Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde schlicht vorenthalten. Die Bürgermeisterin habe damit erneut versucht, "den Bauausschuss hinters Licht zu führen". Zudem rügte er - ohne explizit Namen zu nennen - den zuweilen harschen Umgangston einiger weniger Stadträte. "Was glauben Sie eigentlich, wen Sie hier vor sich haben?", fragte Janik sichtlich gereizt. Im Gremium herrsche eine politische Kultur, "da graust's sogar die Sau".

Sein abschließender Kommentar: Er will der Stadtverwaltung fortan "gar nichts mehr glauben". Den meisten Stadträten dürfte er damit aus dem Herzen gesprochen haben. Und unter den verbliebenen Zuhörern munkelten einige, dass sie womöglich gar die Stimme des nächsten Starnberger Bürgermeisters vernommen haben könnten.

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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