Theaterfestival der Schulen:Romeo und Julia auf dem Schulhof

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Jugendliche übertragen die Tragödie beim Theaterfestival der Schulen in die Gegenwart

Von Christiane Barth, Starnberg

In Hotpants und bauchfreiem Top kam die Julia in der Aufführung von William Shakespeares Tragödie "Romeo und Julia" zu Lebzeiten des Schriftstellers sicher nicht daher. Auch für den Protagonisten Romeo sah der Dresscode im elisabethanischen Zeitalter gewiss keine löchrigen Jeans und T-Shirts mit buntem Aufdruck vor. Der Kern des Stücks - die Problematik des wohl berühmtesten Liebespaars der Weltliteratur - ist aber zeitlos und unabhängig von der Mode einer Generation: eine Liebe, die Widerständen trotzen muss und aufgrund von Missverständnissen ein tragisches Ende findet. Jugendliche der Realschule Herrsching und der Montessorischule Starnberg bewiesen beim Musik- und Theaterfestival der Schulen im Landkreis Starnberg in den beiden Sälen der Schlossberghalle einmal mehr, dass Shakespeares Tragödie auch deswegen zum Kanon der Literatur gehört, weil sich Menschen noch mehr als 400 Jahre später in die Charaktere hineinversetzen und eine Katharsis erleben können.

Die Sechst- bis Zehntklässler der Realschule Herrsching übersetzten das Motiv ins 21. Jahrhundert: Die Gymnasiastin Julia und der Realschüler Romeo lernen sich an einer Gesamtschule kennen und verlieben sich. So verfeindet wie die Familien Montague und Capulet im Original sind auch die Freundeskreise auf der Bühne in Starnberg. Eine Beziehung zwischen einem Realschüler und einer Gymnasiastin? Kommt gar nicht in Frage! "Wir Gymnasiasten verkehren nicht mit den Realschülern", sagt eine Freundin von Julia arrogant. Und dann ist da auch noch Romeos Vater - ein italienischer Eiscafébesitzer, der eine Abneigung gegen Julias Mutter hat und dem jungen Paar das Leben schwer macht. Gespielt wurde "Signore Belmonte" von Franz Scheibner, der so leidenschaftlich auftrat und in seiner Rolle aufging - inklusive typisch italienischer Gestik versteht sich -, als hätte er nie etwas anderes gemacht.

Von klassischen Sonett-Phrasen war bei der Aufführung keine Spur. An Stelle von Frühneuenglisch setzten die Schüler auf die eigene Alltagssprache, wenn auch hoffentlich in etwas überspitzter Form. Ein "Halt die Klappe" oder "Scheiße" war keine Seltenheit. Ob der Gymnasiastin und dem Realschüler ein ähnlich dramatisches Ende wie dem Liebespaar in Verona widerfährt, blieb aus Zeitgründen leider ungeklärt - die Gruppe der Herrschinger Realschule führte die Tragödie nicht bis zum Ende, denn beim Musik- und Theaterfestival waren für jeden Auftritt exakt 45 Minuten eingeplant.

Die Schüler der Montessorischule Starnberg hatten sich von Anfang an auf einen Aspekt konzentriert: die Balkonszene und die Qual der Liebe. Diese Qual und damit auch das Motiv der Tragödie, so bewiesen die Schüler, ist nicht nur epochenübergreifend, sondern auch Personen jeden Alters bekannt, vom Kindergarten bis ins Altenheim.

Trotz der Übertragungen ins 21. Jahrhundert blieb eine Frage ungeklärt: Lässt sich ein dramatisches Schicksal wie in Shakespeares Stück in Zeiten von Smartphones vielleicht verhindern? Kommunikation ist heute immerhin zu jeder Tages- und Nachtzeit und über den Globus hinweg möglich, und Romeo nimmt nur aus einem Grund Gift ein: Ein Brief, in dem Julia ihren Plan erklärt, sich für 42 Stunden in einen todesähnlichen Zustand zu versetzen, erreicht ihn nicht rechtzeitig. Eine Kurznachricht hätte möglicherweise geholfen - und der Suizid der beiden verhindert werden können.

Doch auch Smartphones versagen bekanntlich mal.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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