Starnberg:Rente mit Aussicht

Lesezeit: 3 min

Bunte Broschüren, in denen viel Wissen steckt: Irmgard Heeren leitet die Bildungseinrichtung seit bald 20 Jahren und geht bald in den Ruhestand. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Seit bald 20 Jahren leitet Irmgard Heeren nun schon die Volkshochschule Starnberger See. Doch zum Jahreswechsel wird die 64-Jährige in den Ruhestand gehen. Und vielleicht selbst den ein oder anderen Kurs an der VHS besuchen

Von Otto Fritscher, Starnberg

Diese Aussicht - sie könnte einen ja glatt von der Arbeit ablenken. Der See spannt sich in seiner ganzen Schönheit auf, dahinter die Alpenkette. Irmgard Heeren weiß zwar die Schönheit der Ausblicks zu würdigen, der sich von ihrem Schreibtisch, im zweiten Stock der alten Oberschule am Starnberger Bahnhofsplatz, bietet. Aber sie kennt den Blick auch schon ganz gut, schließlich arbeitet sie seit bald 20 Jahren für die Volkshochschule Starnberger See, die in der alten Oberschule ihr Domizil hat. Allerdings, bald wird Heeren auf diese Aussicht verzichten müssen, denn es ist das letzte Semester, in dem sie die Geschicke der VHS lenkt. Zum Jahreswechsel wird die 64-Jährige dann in Ruhestand gehen. Eigentlich hatte sie dies schon für Anfang Oktober geplant, doch die Nachfolgerin konnte nicht so schnell nach Starnberg kommen.

Mehr als 18 Jahre leitet Heeren nun die VHS, zu der sie erstmals als Praktikantin während ihres Studiums der Erwachsenenbildung kam. Dann wurde ihr ein Job als pädagogische Mitarbeiterin angeboten, ihre erste Aufgabe: das VHS-Programm planen. Das tut sie heute noch, mit den insgesamt fünf Kolleginnen in der Geschäftsstelle. Allerdings haben sich die Anforderungen an die VHS deutlich geändert in den vergangenen Jahren. Größte Posten im Angebot sind nun - man glaubt es kaum - die Deutschkurse, die in verschiedenen Formen, Formaten und Stufen für Asylbewerber, Zuwanderer aber auch Deutsche selbst angeboten werden. Dazu gehören auch die Vorbereitung auf den Einbürgerungstest oder auf das weltweit anerkannte Goethe-Zertifikat. Fast genauso viel Raum nehmen die Englischkurse ein. Auch Japanisch oder Chinesisch werden gelehrt. "Dann muss es meist sehr schnell gehen, weil jemand beispielsweise von seiner Firma in den Osten abgeordnet wird", sagt Heeren. Aber auch seltene Sprachen wie Sanskrit finden immer wieder "Hörer", wie die Teilnehmer der Kurse genannt werden.

Stark im Angebot sind aber auch die Bereiche Bildung und Gesundheit. "Yoga und Kochkurse gehen immer", sagt Heeren, während sich das Interesse an der Computerei, der Informationstechnologie, deutlich verringert hat. "Schon in den neunziger Jahren haben wir Kurs für Windows, Office und sogar Apple angeboten", erinnert sie sich. Da es noch kein Wlan und kein Netzwerk gab, seien die Kabel aus den Fenstern heraus an der Fassade hinunter gelegt worden, bis zum nächsten Anschluss. Den Umgang mit PCs und Handys lernen heute die meisten Kinder in der Schule, sodass kein so großer Bedarf mehr an VHS-Kursen bestehe, sagt Heeren.

Überhaupt, das Internet, ist es eine Konkurrenz, gar eine Bedrohung für die traditionelle Bildungseinrichtung Volkshochschule? "Nein", ist Heeren überzeugt, denn das sogenannte Präsenzlernen - also mit einem Dozenten vor Ort - biete ein "soziales Erlebnis". Man lerne zusammen in einer Gruppe, und gehe nach dem Kurs vielleicht noch auf einen Kaffee. Die VHS habe auch schon kombinierte Sprachkurse angeboten, bei denen teilweise mit dem Dozenten, teilweise alleine vor dem PC gelernt werden sollte. "Doch ins Internet ist kaum jemand gegangen, wir konnten das nachvollziehen", sagt Heeren. Geändert hat sich auch das Buchungsverhalten. Während früher manche Kurse schon Monate vorher voll waren, werde jetzt viel kurzfristiger gebucht - eine Tendenz. Das stellt die Programmplaner natürlich vor neue Aufgaben. "Wir haben schon Kurse abgesagt, und dann nach einer Woche wieder ins Programm genommen, weil die Anmeldungen so spät kamen."

6000 Hörer hat die VHS Starnberger See pro Jahr, in etwas 400 Kursen pro Semester, für die ein Stamm von rund 200 Dozenten bereitsteht. Zu 60 Prozent finanziert sich die VHS aus den Kursgebühren, die Mitgliedsgemeinden Berg, Starnberg, Pöcking, Feldafing und Tutzing machen zusätzlich drei Euro pro Einwohner locker. "Es reicht, aber es ist immer knapp", beschreibt die Geschäftsführerin die finanzielle Situation.

Manche ungewöhnlichen Angebote entlocken einem beim Durchblättern des Programmhefts ja ein Lächeln. Manchmal hat Heeren dann auch begründen müssen, warum Ikebana, Origami oder auch Bauchtanz zum kulturellen Bildungsangebot in einer Kreisstadt gehören. "Aber dreingeredet hat uns bei der Programmgestaltung niemand", sagt Heeren. Anregungen habe sie natürlich geprüft, und sich auch anderen Volkshochschulen im Lande orientiert.

Obwohl, die Starnberger seien schon ein spezielles Publikum, sagt Heeren. Denn der Grad akademisch Gebildeter sei hier viel höher als anderswo, was sich natürlich auch auf das Kursangebot auswirke. "Mehr Vorträge, mehr Politik, mehr Philosophie", seien hier gefragt. "Und während anderswo auf dem Land noch Aerobic-Kurse Zulauf haben, gibt es die hier schon lange nicht mehr", sagt die Geschäftsleiterin lacht, und schaut aus ihrem Bürofenster.

So ganz wird Irmgard Heeren denn auch nach ihrem Abgang nicht von der Volkshochschule lassen. "Es kann gut sein, dass ich den einen oder anderen Kurs besuchen werde", sagt sie, "schließlich will ich mental ja nicht verrenten."

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: