Starnberg:Rebellischer Schwabe

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Sieht sich selbst als gestrengen Lehrer: Peter Jermer. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Gitarrist Peter Jermer unterrichtet seit 37 Jahren an der Musikschule

Von Gerhard Summer, Starnberg

Der Mann ist so etwas wie eine Institution: Seit 1979 unterrichtet Peter Jermer an der Musikschule Starnberg, und wer sich für klassische Gitarre interessiert, dürfte irgendwann unweigerlich auf seinen Namen stoßen. Der 61-Jährige gehörte nämlich vormals dem Hense-Quartett an, er hat die Kompositionen des Engländers Ernest Shand wiederentdeckt und eine Gitarrenschule in zwei Bänden herausgegeben. Sein wohl begabtester Schüler ist das Ausnahmetalent Jakob Wagner aus Wangen, der jüngere Bruder des Schriftstellers Elias Wagner. Und Jermer schreibt auch selbst für sein Instrument und zieht sich dazu gern in sein Häuschen in Bad Ischl zurück.

An die 50 Stücke stammen aus seiner Feder, darunter Liederzyklen, die "Missa ad Finem Saeculi" und Filmmusik. Vorwiegend besteht sein kompaktes Œuvre aber aus kurzen, spätromantischen Werken für Gitarre solo, die in der Regel einen Anlass haben, etwa das schreckliche Schicksal des Quadro-Nuevo-Mitbegründers Robert Wolf, der nach einem unverschuldeten Unfall querschnittsgelähmt war und 2015 starb. Die Verlage Schott und Gendai-Guitar haben etliche von Jermers Werken veröffentlicht. Einige verfasste er unter Pseudonym, wie er sagt. Denn: "Ich möchte meine Ruhe haben und will nicht, dass mich dauernd jemand anruft."

Als Bearbeiter geht der Pädagoge aus Weßling, der sich selbst als gestrengen Lehrer sieht und Franz Schubert und Sergiu Celibidache zu seinen Hausgöttern zählt, eigene Wege. Die Sonate in G-Dur des Südtirolers Leonhard von Call (1767 bis 1815) beispielsweise spielt Jermer in einer von ihm selbst erweiterten Fassung. Vergangene Woche gab er das Werk bei einem Lehrerkonzert in der Starnberger Schule in Uraufführung. Bei Originalstücken für Gitarre lässt sich Jermer allerdings auch zu Veränderungen hinreißen, die in der klassischen Musik seit langem tabu sind. Er sagt: Es gebe Stücke, da sei in ein, zwei Takten "die Luft raus". Er versuche dann, diese Passage "zu liften", natürlich mit Respekt vor der Komposition. Bisher sie das noch "keinem negativ aufgefallen". Werke von Fernando Sor, den er genauso schätzt wie Francisco Tarrega und Anton Diabelli, lasse er freilich in aller Regel unangetastet.

Der Musiker mit Musketier-Bart und zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren, der aus Talheim im Landkreis Heilbronn kommt und am Richard-Strauss-Konservatorium studiert hat, gehört nun mal zu den eigenwilligen Typen. Schon als junger Mann mit 20 nahm er sich vor, nur noch Dinge zu machen, "hinter denen ich stehen kann". Diplomatie ist nicht seine größte Stärke, er sage eben, was er denke, meint der rebellische Schwabe. Jermer scheute nach eigenen Worten auch nicht davor zurück, sich mit der Leitung der Musikschule anzulegen, um einem Kollegen beizuspringen. Eines der Resultate laut Jermer: Er schrieb hinterher einen "Abmahnungswalzer". Ohnehin sei er nicht mehr so glücklich an diesem Institut, sagt er, wo Musikschüler als Kunden betrachtet würden.

Jermer ist mit der japanischen Sopranistin Yoshiko Nitta verheiratet, sein Sohn Robin, 25, studiert Kontrabass. Der Gitarrist gastierte schon in Oslo, Lissabon und Turin, in Osaka und Kyoto. Doch im Landkreis Starnberg macht er sich eher rar. Dafür ist er regelmäßig in seiner Heimat zu hören: Einmal im Jahr gibt er ein Benefizkonzert in Talheim.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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