Starnberg:Punkten mit Kindern

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Bei der Vergabe von Grundstücken im Einheimischenmodell erhöht Nachwuchs die Chancen der Bewerber. Die Stadt Starnberg muss sich bei den Richtlinien an Vorgaben der EU-Kommission halten

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Siedlungsdruck rund um die Landeshauptstadt München ist enorm, bezahlbare Wohnungen sind in der gesamten Region begehrt. Da macht auch Starnberg keine Ausnahme. Große Hoffnungen richten sich seit 2015 auf das Einheimischenmodell "Am Wiesengrund", wo auf einer Fläche von 3,5 Hektar etwa 120 Wohnungen entstehen sollen. Nachdem der Hauptausschuss Mitte März einhellig den Bebauungsplanentwurf beschlossen hat, folgte am Montag die Billigung der modifizierten Richtlinien zur Grundstücksvergabe. "Damit wurde ein weiterer wichtiger Schritt für das Vergabeverfahren, das im Juli starten soll, erreicht", hieß es dazu aus dem Rathaus. Allen Bemühungen zum Trotz, insbesondere Einheimischen Wohneigentum zu ermöglichen, ist eine Tendenz aber unübersehbar: Kinderlose Paare, Gutverdienende und Vermögende haben wohl die schlechtesten Chancen auf einen Grundstückserwerb.

Die Vergaberichtlinien der Stadt Starnberg für jene rund 50 Grundstücke östlich der Bundesstraße 2 an der Flurgrenze zur Nachbargemeinde Pöcking, auf denen Reihenhäuser entstehen sollen, berücksichtigen die grundsätzliche Antragsberechtigung und die Reihenfolge der Bewerber über ein Punktesystem. Kriterien sind Wohnsitz oder Arbeitsplatz, die familiäre Situation, die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie ehrenamtliches Engagement. Antragsberechtigt sind Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Bei Paaren oder Familien darf das zu versteuernde Gesamteinkommen 114 000 Euro nicht übersteigen, bei einzelnen Bewerbern 57 000 Euro. Hinzu kommen Kinderfreibeträge in Höhe von 7000 Euro. Das Vermögen der Bewerber - Immobilien oder Kapital - darf die voraussichtlichen Grunderwerbs-, Bau- und Nebenkosten für das neue Heim am Wiesengrund nur bis zu 40 Prozent übersteigen. Zudem muss die Finanzierungsbestätigung einer Bank vorliegen.

Bewerber, die von der Stadt bereits ein Grundstück in einem früheren Einheimischenmodell erworben haben, sind vom Verfahren ausgeschlossen. Auch dürfen sie nicht Eigentümer eines bebaubaren Starnberger Grundstücks sein. Vermögen, Eigentum oder Erbbaurecht des Ehegatten, des Lebenspartners oder eines weiteren Antragstellers werden dem Bewerber zugerechnet. Die Antragsteller müssen alle Angaben belegen.

Die Reihenfolge der Bewerber bei Auswahl der Grundstücke erfolgt über ein Bonussystem. Grundsätzlich gilt: Je mehr Punkte ein Antragsteller nachweisen kann, umso größer sind seine Chancen. Maximal 35 Punkte sind für den Nachweis des Hauptwohnsitzes oder eines Beschäftigungsverhältnisses in Starnberg über fünf Jahre drin; wer kürzer in Starnberg lebt, erhält weniger Zähler. Rechnerisch am meisten Punkte können mit der familiären Situation erzielt werden: Pro Kind gibt es zehn Punkte, auch Schwangerschaften zählen. Weitere zehn Punkte gibt es für jede schwerbehinderte oder pflegebedürftige Person im Haushalt. Paare, denen weniger als 60 000 Euro Jahreseinkommen zur Verfügung stehen, sichern sich weitere zehn Punkte; wer mehr als 80 000 Euro (Alleinstehende jeweils die Hälfte) verdient, geht leer aus. Für ehrenamtliches Engagement über fünf Jahre sind höchstens 7,5 Punkte erreichbar. Haben zwei Bewerber die gleiche Punktzahl, entscheidet das Los.

Die Änderung der städtischen Vergaberichtlinien war wegen einer Anpassung an die kürzlich mit der Bundesregierung vereinbarten Vorgaben der EU-Kommission notwendig geworden, die bis dahin stets Einwände gegen die in Deutschland praktizierten Einheimischen- oder Sozialmodelle geltend gemacht hatte. Ob die Starnberger Richtlinien zur Grundstücksvergabe auch im Fall einer Klage Bestand hätten, ist ungewiss. "Jeder könnte uns beklagen", sagte Ordnungsamtsleiter Ludwig Beck, "möglich, dass es vor Gericht kommt." Alle Kriterien müssen einer Prüfung standhalten. Sie orientieren sich mit Ausnahme der Einkommensgrenzen, die aufgrund eines Bodenrichtwertes in Starnberg von 1080 Euro/Quadratmeter erhöht wurden, an allgemeinen Empfehlungen. Die Grundstücke sind zwischen 200 und 300 Quadratmeter groß; wie teuer der Baugrund am Ende tatsächlich sein wird, ist bislang unbekannt. Und wie hoch dann das Interesse sein wird, muss abgewartet werden.

Laut Bürgermeisterin Eva John sind alle, die sich bislang gemeldet haben, "Interessenten, keine Bewerber". Das Interesse an der Überarbeitung der Richtlinien am Montag war überschaubar: Im Gegensatz zu früheren Veranstaltungen zum Einheimischenmodell "Am Wiesengrund" hatte sich lediglich ein knappes Dutzend Zuhörer in der Schlossberghalle eingefunden.

© SZ vom 18.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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