Starnberg:Orkan wütet in Fichtenwäldern

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"Niklas" fällt in den Forsten des Landkreises 100 000 Bäume. Auf dem Campingplatz am Pilsensee werden Zelte zerfetzt, ein Wohnwagen und ein Auto zerstört. Und die S 6 fährt immer noch nicht

Von Armin Greuneund Christian Deussing, Starnberg

Am Tag eins nach Niklas sind die Orkanschäden im Fünfseenland längst noch nicht behoben. Viele Straßen waren wegen Aufräumarbeiten an umgestürzten Bäume noch gesperrt. Zudem konnte weiterhin die S-Bahn nicht fahren. Insbesondere in den Wäldern sind unzählige Bäume entwurzelt oder abgebrochen, befinden sich in gefährlicher Schräglage oder werden nur noch von anderen Kronen gestützt. Forstämter und Gemeinden warnen daher dringend davor, über die Osterfeiertage Waldspaziergänge zu unternehmen: "Ich kann nur raten, stattdessen an den Seen zu promenieren", sagt Wilhelm Seerieder, Leiter des Forstbetriebs München, der die staatlichen Wälder im Fünfseenland bewirtschaftet.

Dort haben die Schäden ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht: "Bisher haben wir oft Glück gehabt, aber diesmal sind wir nicht so glimpflich davon gekommen", sagt Seerieder. Es seien deutlich mehr Bäume umgeworfen worden als 2007 durch Kyrill - die Schäden erreichten aber nicht die Ausmaße wie nach den Orkanen Wiebke und Vivian 1990. "So große Flächenwürfe haben wir diesmal nicht", meist habe Niklas einzelne Fichten und kleinere Horste gefällt. Seerieder rechnet mit maximal einen Hektar großen Kahlflächen - etwa im Kreuzlinger oder Königswieser Forst. Bis Dienstag gelte es, die Hauptwaldwege mit Harvestern so weit freizuräumen, dass Förster eine "qualifizierte Schadensanalyse" vornehmen können.

Der Traubinger Revierförster Luitpold Schneider schätzt den gesamten Schadholzanfall im Landkreis Starnberg grob auf 120 000 bis 150 000 Festmeter: Während die Kollegen in den Nachbarrevieren Gauting und Starnberg von jeweils 50 000 Festmetern ausgehen, fiel im von Schneider betreuten Gebiet von Herrsching bis Bernried etwas weniger an, weil die Kuppen mit Laubholz bestanden sind - aber auch auf der Ilkahöhe seien einige tausend Fichten umgestürzt. Einzelbäume und kleine Nester sind schwerer als großflächige Schäden aufzuarbeiten, Schneider befürchtet daher, dass viele tote Fichten übrig bleiben und so die Massenvermehrung der Borkenkäfer begünstigen. Wie 1990 ist vor allem diese Baumart Opfer des Orkans geworden, für Frühjahrsstürme sind Fichten als Flachwurzler mit schon voll belaubten Kronen besonders anfällig. Laut Seerieder haben die Förster ihre Lehren aus der Vergangenheit gezogen: Vor 80 oder 100 Jahren angelegte Fichtenmonokulturen werden allmählich zu Mischbeständen umgestaltet, sind aber in dieser Umbauphase auch labil. Inzwischen sei aber fast überall kräftiger Buchenunterwuchs vorhanden, in den nächsten zehn Jahren sollen Tannen und Douglasien dazukommen: "In einigen Jahrzehnten haben wir dann diese drei dem Klimawandel angepasste Baumarten anstelle der Fichten".

Mit Bäumen hatten am Mittwoch auch noch viele Feuerwehrleute zu tun. Sie zersägten Stämme - unter anderem im Mühlthal, an der Straße zwischen Feldafing und Garatshausen sowie zwischen Gauting und Neuried. Insgesamt gab es bis zum Mittwochnachmittag etwa 500 Feuerwehreinsätze im Fünfseeland. "Wie Dominosteine" seien die bis zu 25 Meter hohen Bäume ungefallen, berichtet etwa der Herrschinger Kommandant Daniel Pleyer. "Bei den heftigen Windböen sind wir mit unserer Drehleiter an die Grenzen gestoßen."

Beschädigt wurden auch etliche Dächer, zum Beispiel das der Pöckinger Pfarrkirche St. Ulrich. Der Orkan hinterließ seine Spur zudem auf dem Gautinger Waldfriedhof, der deshalb zumindest Gründonnerstag geschlossen bleibt. Stark gefordert waren auch Mitarbeiter der Bauhöfe und Straßenmeistereien. Ein Baum krachte bei Traubing auf einen Lader der Gemeinde Feldafing - der Traktor wurde zerstört, zum Glück aber kein Arbeiter verletzt.

Auch auf dem Campingplatz am Pilsensee schlug Niklas zu. Dort fielen zwei entwurzelte Nadelbäume auf einen Wohnwagen und ein geparktes Auto und verursachten jeweils Totalschaden. Zerfetzt wurden auch 15 Vorzelte, ein umgeknickter Baum blockierte die Zufahrt. "Wir sind trotzdem noch mit einem blauen Auge davon gekommen", sagt Betriebsleiterin Kerstin Linske, in deren Anlage mehr als ein Dutzend Camper den Sturm überstehen mussten.

Die hohen Wellen waren auch für die Fischer ein großes Problem. Sepp Sebald etwa wagte es nicht, seine Netze vor Ammerland auszulegen. "Wir wären beim Einholen sonst untergegangen". Er ärgert sich, dass er nun ausgerechnet vor Karfreitag weniger Renken fangen konnte.

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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