Starnberg:Neil Young im gebügelten Hemd

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Ida Sand und Band covern in Feldafing Klassiker des Kanadiers - mal bluesig, mal soulig

Von Armin Greune

Feldafing - Sein Gitarrenspiel wurde oft belächelt, und der Gesang ist zwar markant, aber kaum von Wohlklang geprägt - doch als Songwriter kann ihm kaum einer das Wasser reichen. Was auf Bob Dylan gemünzt sein könnte, trifft genauso auf Neil Young zu: In den fast 50 Jahren seiner Karriere hat der Kanadier überraschende Stilwechsel vollzogen, aber regelmäßig Melodien von unsterblicher Schönheit erfunden - die von seiner nasalen, dünnen Fistelstimme geradezu ironisch gebrochen werden. Was passiert, wenn man diese grandiosen Songs "sauber", perfekt ohne Verzerrungen und subtile Dissonanzen vorträgt, konnte man am Montag im Konzert von Ida Sand bei "Jazz am See" miterleben.

Die Tochter eines Opernsängers verfügt über eine klare, kräftige Stimme mit samtenem Timbre, sie wird schon als "beste weiße Soul-Stimme" gehandelt. Und Sand ist ein großer Fan des kanadischen Country- Folk-Rock-Grunge-Musikers, wie sie im ausverkauften Feldafinger Bürgersaal versicherte. Die äußeren Umstände des Konzerts ließen schon mal keinen Verdacht auf zu viel Perfektion aufkommen. Mattias Torells neue Gitarre brachte bald nur noch Rückkoppelung hervor, in der Pause wurde ein Ersatzinstrument aus Tutzing geliefert. Und Sven Lindvall am Bass kämpfte den ganzen Abend mit Übelkeit, wie Sand erst vor den beiden Zugaben verriet. Ihr selbst war Feldafing beim ersten Auftritt in richtig schlechter Erinnerungen geblieben: Als sie dort 2006 als Sängerin in Nils Landgrens erstem "Christmas With My Friends-Konzert" auftrat, war sie schwanger und fühlte sich entsprechend elend, erzählte die sympathische Schwedin.

Den 13 Songs auf ihrem neuen Album "Young at Heart" hat sie sich mit großem Respekt vor den Originalen genähert. Ida Sands Interpretationen der zwölf Young-Klassiker und Joni Mitchells "Woodstock" laufen daher Gefahr, dass die Songs bis auf die nackten Harmonien glatt geschliffen werden: Es droht ihnen die Banalisierung zu makellosen Schlagern, die ab dem dritten Mal Hören Langeweile oder mit klebriger Süße Brechreiz auslösen.

Das kann man Sands Arrangements nicht vorwerfen: Die Songs wurden geglättet, um einzelne Harmonien ergänzt, Akkorde und Melodien teilweise anderen Instrumente zugeteilt - trotzdem strahlen sie noch genug von der melancholischen Magie aus, die ihnen Young eingehaucht hat. Was wohl damit zu erklären ist, dass schwedische und kanadische Mentalität nicht so weit auseinanderliegen, meint Sand. Ein Teil ihres Planes sei aber auch, Jazzhörern die Musik von Young näher zu bringen.

Von Jazz ist dann live freilich wenig zu hören: "Cinnamon Girl" zum Auftakt wird als Blues mit Wah-Wah- und Hammond-Orgelsound gespielt. In "Dont Let it Bring You Down" liefert Torell ein rockiges Gitarrensolo ab, bevor sein Instrument den Geist aufgibt. Und die träumerische, verspielte Balladen-Version von "Harvest Moon" stellt das Original von 1992 glatt in den Schatten: Mit ihrem sensiblen, leisen Solo lässt Sand auch am Flügel aufhorchen. Bei "Hey hey, my my" und "War of Man" fällt hingegen der glänzend disponierte Jesper Nordenström mit sattem bis rasantem Orgelspiel auf. Doch die Soli finden immer schon nach wenigen Takten ein Ende - die Band verzichtet auf virtuose Egotrips . Nur in "Ohio" gönnt sie sich assoziative Phasen, baut so geschickt Spannung auf, bevor ausgerechnet Drummer Robert Ikiz zum Finale wieder zum liedhaften Erzählen führt.

Für ein Live-Konzert, das Jazz- und Rockfans gleichermaßen begeistert, haben die bluesigen und souligen Covers auf jeden Fall ausreichend Format. Dennoch bleibt die Frage, ob ihnen als Konserve ein ebenso langes Leben wie den Originalen beschert sein wird.

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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