Starnberg:Malen gegen die Schmerzen

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Eine Sepsis mit bösen Folgen hat Erich Spitz zum Invaliden gemacht

Von Blanche Mamer, Starnberg

Das Mädchen mit dem Perlenohrring schaut den Besucher gleich zweimal an. "Die Farben sind mir zuerst nicht so gelungen", sagt Erich Spitz (Name von der Redaktion geändert) und erklärt die Unterschiede in seinen beiden Bildern, die in seinem Wohnzimmer hängen. Daneben hängen Kopien von Monet und Spitzweg, ein Renoir, ein Matisse. 200 Stunden brauche er für ein Bild, sagt er. Und das ist gut so, denn mit dem Malen vergeht die Zeit und es ist wenig Platz für schwermütige Gedanken. Denn der 61-Jährige, von Beruf Maler und Tapezierer, hat ein schweres Los, lindern kann er es durch das Nachmalen von alten Meistern.

Es ist jetzt fünf Jahre her: Eine kleine Verletzung am Oberschenkel sollte im Krankenhaus genäht werden. Keine große Sache, eigentlich - doch mit schwerwiegenden Folgen für den Patienten. Bei der Behandlung wurde er mit einem Klinikkeim infiziert, der in kurzer Zeit den Knochen angriff. "Das ging so schnell und die Infektion war so aggressiv, dass das Bein mit Oberschenkel amputiert werden musste", sagt Spitz. Das war noch nicht das Ende seines Leidenswegs. Er bekam ein Implantat ins Becken. "Man sagte mir, das sei nötig für die spätere Prothese." Doch dabei wurde der Dickdarm verletzt. Er musste mehrmals operiert werden, die Wunde am Unterbauch ist bis heute nicht zugewachsen. "Es war eine üble Sepsis, meine Chancen standen zehn zu 90." Er erzählt das so gut wie regungslos, doch dann brechen die Emotionen durch. Er will nicht wütend werden, sagt er. Das bringe ihm nichts, doch innerlich brennt es, dass er ohne eigenes Verschulden im Rollstuhl sitzt, nur noch wenige Schritte mit Krücken gehen kann, ständig Schmerzen hat.

Er kann nicht mehr allein leben, musste ins Häuschen seiner Mutter zurückkehren. Sie ist 91 Jahre alt und hat schwere Diabetes, sie führt, so gut sie kann, den Haushalt. Dreimal täglich werden beide vom ambulanten Pflegedienst versorgt. Die Mutter bekommt ihre Spritzen, seine Bauchwunde muss gereinigt und neu verbunden werden.

Er benötige warme Winterstiefel, "einen warmen Stiefel mit Profil", damit er, falls nötig, auch mal einige Schritte mit den Krücken bis zur Gartentür gehen könne. Auch eine dicke Jacke braucht er und ein paar neue Sweatshirts, unter denen sein Bauchverband Platz hat. Zum Einkaufen im Nachbarort bringt ihn der Fahrdienst der Sozialstation. Denn Einkaufen kann seine Mutter nicht mehr. Für sein lebenserhaltendes Hobby wünscht er sich Farben und Malutensilien, denn mit seiner knappen Rente muss er streng kalkulieren. Sein Traum wäre, dass jemand seine Bilder ausstellt.

© SZ vom 24.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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