Starnberg:Mädchen für alles

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Gisela Aigner, 75, leitet den Vorstand des Brahmstage-Freundeskreises. (Foto: Ulrike Mertz)

Gisela Aigner, die Cheforganisatorin der Tutzinger Brahmstage, kümmert sich um Verträge genauso wie um Dekoration und Künstlergeschenke. Sie schreibt fast alle Briefe noch mit der Hand

Von Gisela Aigner

Der zahlende Besucher, der ins Konzert geht, das Kinofestival besucht oder das Museum, will ein Ergebnis sehen. Zu Recht. Wie viel Arbeit dahintersteckt, bis das Konzept einer Jazz- oder Klassikreihe steht, die Rockband den Auftritt zusagt und das erste Bild einer Ausstellung am Nagel hängt, interessiert ihn in dem Moment nicht. Dabei ist auch das ein Kunststück: Festivals, Musik- und Theaterreihen trotz geringer Zuschüsse über Jahre am Laufen zu halten. In der SZ-Serie "Kulturmacher" schreiben Veranstalter, wie ihnen das gelingt und mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben.

Die Musik von Johannes Brahms begleitet mich seit meiner Kindheit, besonders die Brahmslieder haben es mir angetan. Im Jahr 2002 gründeten wir, 27 Tutzinger Musikbegeisterte, zur Unterstützung der 1997 von Christian Lange gegründeten Tutzinger Brahmstage den Verein "Freundeskreis Tutzinger Brahmstage e.V.". Christian Lange ist auch heute noch der künstlerische Leiter dieses Festivals. Mit ihm hatten die meisten Gründungsmitglieder im Chor St. Josef bereits Brahmswerke gesungen. Unvergesslich bleibt das Requiem mit Hermann Prey - einer seiner letzten Auftritte.

2005 übernahm ich den Vorsitz des Freundeskreis-Vorstands, nicht ahnend, was da an Arbeit auf mich zukam. Als sich 2008 die Gemeinde Tutzing komplett aus der Veranstalterrolle zurückzog und den Brahmstagen das Ende drohte, musste der Vorstand die Verantwortung übernehmen - mit allen Konsequenzen. Seitdem ist die Vorstandschaft Veranstalter der Brahmstage und haftet mit ihrem Privatvermögen.

Daher war und ist es auch heute noch essentiell, Sponsoren für das Festival zu finden. Diese Aufgabe bereitet mir viel Freude. So habe ich in meiner Amtszeit neben anderen das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst sowie den Bezirk Oberbayern gewinnen können. Auch die Kreissparkasse ist seit vielen Jahren mit an Bord. Beim Einkaufen traf ich vor einigen Jahren Peter Maffay, den Tutzinger Ehrenbürger, und fragte ihn, ob er nicht die Brahmstage finanziell unterstützen könnte. Er sagte spontan zu, und so kam es, dass ein Rockstar zu den Förderern dieses gediegenen Festivals gehört.

Es ist mir auch ein großes Anliegen, neue Mitglieder für den Freundeskreis zu werben. Inzwischen konnten wir die Mitgliederzahl von 55 auf 137 fast verdreifachen, mit Mitgliedern weit über den Landkreis Starnberg hinaus wie beispielsweise aus Augsburg, Kempten und der Schweiz. Ein besonderes Highlight für die Mitglieder ist im Frühjahr ein Privatkonzert im Gut Deixlfurth, das aufgrund meiner Freundschaft mit der Familie von Jordan entstanden ist. Dort erleben wir im nicht zu übertreffenden Ambiente dieses herrlichen Guts mit dem Park am Deixlfurther See in fröhlicher Stimmung Musik, Wein und ein Buffet, zum dem alle Mitglieder etwas Feines beisteuern.

Meine Aufgabe ist es unter anderem, Vorstandssitzungen vorzubereiten und zu leiten oder Zuschussanträge zu verfassen. Bis jetzt schreibe ich noch alle Briefe mit der Hand, sogar die offiziellen Anträge. Das nimmt viel Zeit in Anspruch, aber ich habe wiederholt gesagt bekommen, dass sich die Empfänger über handgeschriebene Post freuen. Ebenfalls mit der Hand schreibe ich Einladungen an Ehrengäste und Dankesbriefe für Zuwendungen. Nur die Mitgliederbriefe lasse ich von meiner Schwiegertochter tippen, das wäre sonst zu viel Arbeit. Ich verschicke Flyer an Interessierte, lade zu Mitgliederversammlungen ein und gebe Rechenschaftsberichte ab. Ich schließe Verträge mit den Künstlern ab und buche die Hauptspielstätte, den Festsaal der Evangelischen Akademie Tutzing. Eine spezielle Aufgabe ist es, wenn ich in meiner Küche 6000 Flyer abzähle und verpacke, damit sie von den Austrägern der Tutzinger Nachrichten mitverteilt werden. Das reicht von 40 Flyern für Monatshausen bis 800 Stück für Tutzing-Kellerwiese und Höhenberg. Wir plakatieren, ich besorge Dekorationen für das Brahmsapotheken-Fenster und Künstlergeschenke (das legendäre "Brahmskonfekt" mit Konterfei). Außerdem kümmere ich mich um Quartiere für die Künstler und die Lokalitäten nach dem Konzert. In den Wochen vor den Brahmstagen hänge ich mit dem Vorstandskollegen Hans-Peter Bernsdorf über 30 blaue, drei Meter lange Banner mit dem Konterfei von Johannes Brahms an privaten Fahnenmasten in ganz Tutzing auf. Sind die Fahnen nach Herbststürmen beschädigt, reparieren wir beide sie selbst - mit Nadel und Faden oder auch schon mal mit der Säge, wenn die stabilisierenden Holzlatten gebrochen sind.

In der Organisation bekomme ich seit einigen Jahren sehr geschätzte Unterstützung durch Elisabeth Carr von den KunstRäumen am See, mit der ich eng zusammenarbeite. Die Reden, die ich bei der Eröffnung halten muss, machten mir anfänglich viel Kopfzerbrechen, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Alles in allem möchte ich diese Erfahrungen und auch die Bestätigung durch Vereinsmitglieder und Konzertbesucher in all den Jahren nicht missen, denn ich weiß, dass die Tutzinger Brahmstage ein besonderes Juwel in der deutschen Festivallandschaft geworden sind. In diesem Jahr freue ich mich ganz besonders auf das Eröffnungskonzert am 11. Oktober mit dem Vokalquartett Wien, wo die wunderbaren Quartette, Terzette und Duette von Brahms gesungen werden, und auf den Brahmsliederabend am 20. Oktober in der Galerie Benzenberg.

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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