Starnberg:Loch im Herzen

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Die Familie aus Kroatien hat Arbeit und eigentlich schaut alles gut aus, dennoch sind die Sorgen groß. Der fünfjährige Sohn wurde mit dem Down-Syndrom geboren, die Operationen waren teuer, es fehlt an Geld

Von Blanche Mamer, Starnberg

"Ich bin froh, dass wir hier sind. Unser Sohn Mirko bekommt hier eine gute Versorgung", sagt Jana A. (Name geändert). Auch ihre Tochter Zara habe jetzt bessere Chancen. Vor vier Monaten ist die Familie aus Kroatien nach München übergesiedelt. Der Mann fand Arbeit, die Kinder haben, obwohl das Schuljahr schon begonnen hatte, Plätze in der Franziskusschule in Starnberg bekommen. Das klingt zunächst ganz gut, doch sobald man der Mutter etwas länger zuhört, wird klar, dass sie große Sorgen hat. Wie groß die sind, weiß auch Petra Seidl von der offenen Behindertenarbeit der Caritas in Starnberg. Sie hat die Familie darum für den SZ-Adventskalender vorgeschlagen.

Die Kinder brauchen warme Winterkleidung und Stiefel, sagt Seidl. Und vielleicht ein kleines Weihnachtsgeschenk. Und weil alle Böden in der Wohnung gefliest, also kalt sind, wäre ein einfacher Teppich fürs Wohnzimmer ganz schön. Denn der fünfjährige Sohn Mirko spielt viel am Boden. Er wurde mit dem Down-Syndrom geboren, war schwerst behindert und schwer krank. "Er hatte ein Loch im Herzen und musste mit acht Monaten operiert werden. Das war eine sehr schwere Zeit für uns alle. So ein kleines Baby und so eine schwere Herz-OP", sagt seine Mutter. Die Operation in Zagreb verlief gut. Danach musste der kleine Bub auch noch an beiden Augen operiert werden, er bekam künstliche Linsen. Im Januar steht eine große Zahn-Operation an, sagt Jana A. in klarem, korrektem Deutsch.

Das habe sie als Flüchtlingskind gelernt, erzählt sie. Sie stammt aus Bosnien. Die Familie floh während der Jugoslawien-Kriege nach Deutschland und wurde in einem kleinen Dorf in der Nähe von Ingolstadt einquartiert. Dort ging Jana zur Schule. "Es ist schon lange her, doch ich habe das Deutsch nicht vergessen", sagt sie und klingt ein wenig stolz. Doch als sie eine Ausbildung hätte beginnen können, wurde die Familie zurückgeschickt. Nach fünf Jahren kam sie in einer völlig zerstörte Heimat an. "Alles war kaputt, alle Häuser in Trümmern. Da war gar nichts mehr", berichtet Jana A.. Keine Chance, eine Lehre zu beginnen oder weiter zu lernen. "Ich koche gern, ich habe als Küchenhilfe gearbeitet, auch als Zimmermädchen. Ich habe aber nichts gelernt", erzählt sie. Nun gehe sie bei einer alten Dame in der Nachbarschaft putzen, doch das trage nur wenig zum Unterhalt bei. Sie würde sich gerne weiterbilden, doch das ist momentan nicht drin. Denn Mirko ist oft krank, er erwischt jeden Infekt und kann dann nicht in den Förderkindergarten der Franziskusschule gehen.

Sie hat sich viel selbst angeeignet. So kann sie beispielsweise gut mit dem Computer umgehen, hat sich informiert, die Adresse eines Immobilienmaklers im Internet gefunden und die Wohnung gemietet. Das hat nur einen Haken, die Wohnung ist viel zu teuer. Wie so oft im Fünfseenland ist die Miete von 1100 Euro für einen Alleinverdiener sehr hoch. Für Strom sind Festkosten von 70 Euro fällig, das monatliche Materialgeld für die Schule beträgt 100 Euro. "Alles zusammen bleibt zu wenig zum Leben", sagt Seidl. Die Kinder brauchen warme Kleidung, gute Schuhe. "Ich fürchte, dass Mirko eine Brille bekommt, die ich selbst zahlen muss", sagt Jana A. Der Bub trägt noch Windeln, obwohl sie versucht, mit ihm zu trainieren, damit er sauber wird. Allein das frisst schon ein Loch in die Haushaltskasse. "Wir sparen. Wir gehen nie weg, trinken keinen Alkohol, rauchen nicht." Manchmal wisse sie nicht, ob sie bis Ende des Monats noch genügend Geld fürs Essen habe. Doch dann nimmt sie sich zurück. Sie wolle gar nicht klagen, sie sei glücklich, wieder in Deutschland zu sein. Zurück nach Kroatien - das wolle sie auf keinen Fall.

Die Kinder werden vom Bus der Förderschule abgeholt, Mirko ist im Förderkindergarten. "Er ist ein süßer kleiner Bub, doch er spricht gar nicht", sagt die Schulleiterin Ricarda Friederichs. Seine Schwester Zara ist sieben Jahre alt und leidet an einer Entwicklungsverzögerung, entwickele sich aber gut, so die Pädagogin. Sie geht in die Förderklasse, lernt langsam, spricht jedoch schon ein paar Worte Deutsch. Sie sei in ihrer Heimat in die Regelschule gegangen, in ihrem Fall sei die Förderschule die bessere Wahl, weil individuell auf sie eingegangen werden könne.

An Weihnachtsgeschenke sei nicht zu denken, sagt Jana A. Keine Wünsche? Zara braucht einen Schreibtischstuhl. Sie spielt gern mit Puppen, Mirko mit Autos und Traktoren. Vielleicht wären ein paar Weihnachtsleckereien ganz schön, zögert die Mutter. Denn das Haushaltsgeld ist so eng bemessen, dass nur die billigsten Lebensmittel gekauft werden können.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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