Starnberg:Letzte Frist für Bürgermeisterin John

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Der Stadtrat beharrt auf Durchsetzung seiner Beschlüsse zur Seeanbindung und fordert Einsicht in ein Fachgutachten

Von Peter Haacke, Starnberg

In einem Punkt sind sich die meisten Stadträte einig: Eva John hat ihren Job nicht korrekt erledigt, ein im Juli 2016 erteilter Auftrag zum Themenkomplex "Seeanbindung" wurde nicht erfüllt. Obwohl die Zeit drängt, hat das Gremium der Starnberger Bürgermeisterin am Donnerstag eine letzte Frist bis 23. Oktober eingeräumt, um Versäumtes nachzuholen. Andernfalls will der Stadtrat seine Beschlüsse im Wege eines Kommunalverfassungsstreits am Verwaltungsgericht durchsetzen. Die Richter werden sich dennoch mit der Causa auseinandersetzen: Mittlerweile existiert zwar ein Gutachten zu den Folgen eines Nichterfüllens des Bahnvertrags von 1987, doch John verweigert bislang hartnäckig die geforderte Herausgabe des aufschlussreichen Papiers. Der Stadtrat stellte daher einen Eilantrag.

Für die Stadt geht es um Millionenbeträge: Sollten die Starnberger ihren bis Jahresende 2017 befristeten Vertrag mit der Deutschen Bahn (DB) nicht erfüllen, könnte die Sache eine überaus teure Angelegenheit werden: Der Stadt droht ein Prozess mit bereits angekündigten Schadenersatzforderungen der Bahn, der sich über Jahre hinziehen dürfte. Unter diesen Vorzeichen wollte der Stadtrat schon im Juli 2016 wissen: Was könnte passieren, wenn der Vertrag tatsächlich unerfüllt bleibt? Gibt es Alternativen zum geplanten Projekt? Und kann man im Gespräch mit dem Vertragspartner womöglich andere Gestaltungsmöglichkeiten des Vertrags ausloten?

Im Dezember hätte das Gutachten zu den Folgen eines nicht erfüllten Bahnvertrags vorliegen sollen. Doch gut ein Jahr später stellte sich heraus: John hat ihren Auftrag schlicht ignoriert und den Stadtrat darüber auch nicht informiert. Vize-Bürgermeister Klaus Rieskamp (BLS) war daraufhin mit Nachforschungen innerhalb der Stadtverwaltung beauftragt worden. Der Bericht zu seiner Recherche, den er am Donnerstag verlas, empfanden viele als Dokument der Ernüchterung.

"Leider musste ich feststellen, dass ich durch die Bürgermeisterin massiv behindert wurde", sagte Rieskamp. Die Aktenführung der Stadtverwaltung stufte er als "planlos" ein, eine systematische, übersichtliche und nachvollziehbare Ordnung der dezentral geführten Akten sei nicht erkennbar. Zudem gibt es offensichtlich geschwärzte Akten, wichtige Unterlagen wurden Rieskamp vorenthalten. Leitende Rathausmitarbeiter bestätigten ihm, dass alles "Chefsache" sei und sie keinen Zugang zu relevanten Akten hätten. Ein Gespräch lehnte die Bürgermeisterin indes ab, Gespräche mit Rathausmitarbeitern wurden verhindert. Überdies entpuppten sich Auskünfte an Stadtrat und Zweiten Bürgermeister als "zum Teil sinnverzerrende Halbwahrheiten oder grob irreführende Falschaussagen", erklärte Rieskamp. Dass die DB als Voraussetzung für Gespräche im Februar "eine zielführende Positionierung von der Stadt erwartet", wurde dem Stadtrat ebenfalls nicht mitgeteilt. Rieskamp: "An eine eilige Behandlung des für Starnberg enorm wichtigen Falles war unter diesen Umständen nicht zu denken."

Der Stadtrat hatte sich am Donnerstag bereits vorab nicht-öffentlich mit dem Thema befasst: Rechtsanwalt Walter Georg Leisner, der die Stadt auch bei der Straßenausbaubeitragssitzung vertritt, zeichnete dem Vernehmen nach ein düsteres Bild bei Nichterfüllung des Bahnvertrags. Zudem berichtete Rieskamp, dass es kürzlich ein Gespräch zwischen John, Leisner und DB-Vertretern gegeben hat - allerdings ohne Beteiligung des Stadtrats. John soll nun bis 23. Oktober gemäß Stadtratsbeschluss ein weiteres Gespräch mit DB-Verantwortlichen arrangieren und Fachvertretern Gelegenheit bieten, alternative Projektvorschläge - Bahn- oder Seetunnel und "Schöner zum See" - zu unterbreiten. John hatte die Sitzung gegen 22.40 Uhr mit Beginn des Tagesordnungspunktes "Seeanbindung" allerdings verlassen.

Unabhängig von der angekündigten Klage des Stadtrats prüft auch die Landesanwaltschaft Bayern die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die Beamtin Eva John: Die Nichtausführung von Beschlüssen kommunaler Gremien ist ein Dienstvergehen.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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