Starnberg:Kurzes Vergnügen

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Die Honigernte fällt mager aus. Seit Ende Juni füttert mancher Imker seine Völker, damit diese nicht verhungern

Von Christiane Bracht, Starnberg

Wie so oft, ist das Wetter schuld: Das Frühjahr war zu nass und der Sommer zu trocken, klagen die Imker im Fünfseenland. Die Bienen jedenfalls konnten dieses Jahr nur wenig Pollen und Nektar sammeln. Seit Ende Juni füttert manch einer seine Völker, damit sie nicht verhungern. Entsprechend schlecht ist die Ernte: "Pro Volk habe ich in diesem Jahr zehn Kilogramm weniger Honig. Das ist in Starnberg noch nie passiert", klagt der Vorsitzende des Starnberger Bienenzuchtvereins Hubert Dietrich. Im Frühjahr seien die Blüten der Lindenbäume sehr schnell explodiert, zu einer Zeit, als die Bienen noch mit Eierlegen und Innendienst beschäftigt waren, erklärt er. Fünf Wochen brauchen sie nämlich, bis sie für die Pollen- und Nektarsuche bereit sind. Als sie heuer soweit waren, begann der große Regen und damit fiel die Ernte praktisch aus. Im Sommer gingen die Bienen wieder leer aus, weil es viel zu heiß und staubig war. Bei Trockenheit bildet sich nämlich kein Nektar in den Pflanzen, erklärt Dietrich. Seit 1998 hält der Starnberger Bienen, aber dieses Jahr sei eines der schlechtesten überhaupt gewesen, sagt er.

Manfred Hederer aus Utting, der Präsident des Deutschen Berufs- und Erwerbs Imkerbundes, ist noch radikaler: "Es ist das sechste schlechte Jahr in Folge", sagt er. "Es ist ja nichts da, was blüht. Denn alles, was blüht, wird vernichtet." Für ihn ist das Wetter zweitrangig, der größte Feind der Bienen ist seiner Ansicht nach der Landwirt. Bis zu sieben Mal im Jahr mähen die Bauern inzwischen ihre Felder, damit die Kühe eiweißreiches Futter bekommen und so mehr Milch produzieren. Außerdem wird Gift versprüht, doch damit sterben auch die Bienen. Das Straßenbauamt entzieht den Insekten ebenfalls die Lebensgrundlage. Denn an den Straßenrändern werden nicht mehr nur schmale Streifen abgemäht, welche die Sicht beeinträchtigen. Die neuen Maschinen mit ihren Hydraulikarmen greifen viel weiter. Und was noch schlimmer ist: Die abgemähte Wiese wird wieder auf den Streifen geworfen, sodass der Boden überdüngt wird.

Hederer fordert dringend ein Umdenken. "Die Bauern müssen von der Mengenproduktion abkehren und wieder mehr auf Qualität setzen", verlangt er. Und die Verbraucher sollten dies unterstützen, indem sie teurere Milch mit hohem Omega3-Wert kaufen oder zertifiziert bienenfreundliche Lebensmittel. Wenig bis gar nichts bringe es dagegen, wenn die Gartenbesitzer Kräuter und blühende Pflanzen ansäten, die Bienen lieben. Auch die kleinen Blühstreifen, die einige Kommunen nun anpflanzten, sind laut Hederer reine PR. "Es ist, als wenn man einem, der seinen Fuß verloren hat, ein Pflaster draufklebt", erzürnt er sich. Hobbyimker Dietrich sieht das anders: Die Sympathie, die viele Leute den Bienen entgegenbringen, hält er für wichtig, auch dass die Stadt inzwischen an die Insekten denkt, wenn sie etwas anpflanzt. Es ist ein erster Schritt, das Nahrungsangebot wieder zu verbessern. Zumal auch in der Stadt der Trend zu weniger Grün geht, denn große Gärten werden oft geteilt zugunsten von mehr Häusern. Die Grundstückspreise im Landkreis sind schließlich hoch.

Seit 2000 hat sich die Zahl der Imker im Fünfseenland auf 260 verdoppelt, erklärt Dietrich. Die Zahl der Bienenvölker ist dagegen nur um zehn Prozent gestiegen. Kein Wunder, sagt Hederer, sie finden nicht genug Nahrung. In den 1950er Jahren gab es noch 2,4 Millionen Völker in Bayern, heute sind es gerade mal 80 000. "Und die Spirale geht immer weiter nach unten." Das schlimmste daran sei jedoch, dass die Pflanzen nicht mehr bestäubt werden - und das bedeutet auch weniger Vögel.

© SZ vom 03.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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