Kreative Entrümpelung:Kultur, die reinhaut

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Die "Künstler aus dem Einbauschrank" bemächtigen sich einer Abbruch-Villa in Söcking. Von 8. bis 10 Mai laden sie zu temporären Kunstaktionen ein

Von Katja Sebald, Starnberg

Wo die "Künstler aus dem Einbauschrank" am Werk waren, da rücken hinterher die Bagger an: Die siebenköpfige Künstlergruppe aus Herrsching bespielt vorzugsweise leer stehende Häuser, die zum Abbruch vorgesehen sind. "Uns interessieren die Geschichten, die in einem Haus gelebt wurden", sagt Gesine Dorschner. "Aber am wichtigsten ist die Freiheit, die uns ein solcher Ausstellungsort bietet". Derzeit werkelt der kreative Entrümpelungstrupp in einem alten Mietshaus an der Andechser Straße in Söcking. Vom 8. bis zum 10. Mai wird dort die Aktion "Kunst in 36 Zimmern" zu sehen sein.

Inspiriert wurden Cristina Blank, Gesine Dorschner, Steffi Kieffer, Felix Maizet, Enno Müller-Spaethe, Stefanie Pietsch und Monika Roll vor einigen Jahren von einem Besuch der Stroke Art in München. Als ihnen bald darauf ein Freund in Herrsching eine abbruchreife Villa aus den Sechziger Jahren zur "kreativen Zwischennutzung" überließ, gab es kein Halten mehr: Mit "Kunst im Einbauschrank" mischten sie 2012 erstmals die Herrschinger Kulturszene auf. Zwei weitere Ausstellungen und 2014 dann der Kulturförderpreis des Landkreises sollten folgen. Diesen Preis teilten sie sich mit Ursa Wilms, die für ihre kunstpädagogische Arbeit im Gautinger Mädchenwohnheim ausgezeichnet wurde - und nun mit ihren Schützlingen auch an der Ausstellung in dem landkreiseigenen Haus beteiligt ist, das demnächst einem Neubau weicht.

Vorher aber werden die sechs Wohnungen samt Speicher und Kellerräumen noch einmal zu neuem Leben erwachen: Unter dem Dach ist ein großer Veranstaltungsraum für Performances, Konzerte und eine Lesung entstanden. Jeder Raum des Hauses wird für Bilder, Objekte und Installationen genutzt, die Wände werden bemalt und beschrieben, die weißgekalkten Kellerabteile zu kleinen Kunstkabinetten umfunktioniert, der bröckelnde Putz im Waschhaus wird ebenso wie die Spuren ehemaliger Bewohner Teil der temporären Kunstaktion werden. Noch sind die Künstler mit einem Industriesauger im Haus unterwegs, es wird gekehrt, geputzt, gewischt. Nach der Entrümpelung beginnt die spielerische Besetzung - und zum Teil auch Zerstörung - des Hauses: "Wir wollen auch in die Wände reinhauen können, das ist ganz wichtig", so Dorschner. "Das Gebäude gehört uns, wenn auch nur für ein paar Wochen". "In den letzten zwei Tagen und Nächten vor der Eröffnung verdichtet sich alles", sagt Felix Maizet, "erst dann entstehen die besten Ideen".

Was genau dann zu sehen und zu hören sein wird, das ist noch ein Geheimnis - wahrscheinlich auch für die Künstler selbst. Alle sieben arbeiten "im richtigen Leben" in kreativen Berufen, aber eben als Dienstleister: Gesine Dorschner, Steffi Kieffer und Stefanie Pietsch sind Grafikdesignerinnen, Cristina Blank ist Visagistin und Monika Roll Innenarchitektin, Felix Maizet arbeitet als Texter und Enno Müller-Spaethe, der die Kunstaktionen meist mit Musik bereichert, ist eigentlich Heilpraktiker. Drei von ihnen wohnen in Herrsching, eine in Wörthsee und eine Andechs. Alle sind freundschaftlich verbunden, bringen ihre Kinder in dieselben Betreuungseinrichtungen. Die Zeit für die Kunst müssen sie aus ihrem Alltag herausschneiden, sie schaffen es mit Hilfe von Omas und Partnern, die ihnen für ein oder zwei Wochen den Rücken freihalten. "Es ist ein Freiraum, in dem wir unsere Kreativität mal so richtig ausleben können", so die einhellige Meinung. Ums Geld geht es dabei am allerwenigsten: "Unsere Währung sind die echten Views von echten Besuchern", sagt Enno Müller-Spaethe. Sie locken auch Besucher an, die normalerweise einen großen Bogen um Museen und Galerien machen. Einer ihrer größten Fans ist der Herrschinger Bürgermeister Christian Schiller, der ihnen zur Kulturpreisverleihung als bekennender Banause eine glühende Laudatio hielt - und am Wochenende als Teil des Kunstprojekts einen großen Auftritt haben wird.

Aktion "Kunst in 36 Zimmern" der "Künstler aus dem Einbauschrank" vom 8. bis 10. Ma in Söckingi, Andechser Straße 57. Vernissage am Samstag, 8. Mai um 18 Uhr

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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