Starnberg:Kommunalpolitik auf die rüde Art

Lesezeit: 2 min

Vorwürfe gegen Stadträtin Kammerl landen beim Staatsanwalt, doch der winkt ab

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Fall dürfte landesweit zumindest außergewöhnlich sein, im Landkreis Starnberg jedenfalls hat es einen vergleichbaren Vorgang noch nie gegeben: Starnbergs Bürgermeisterin Eva John hat die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wegen eines Vorwurf von Stadtrat Günther Picker gegen Angelika Kammerl, ebenfalls Mitglied im Gremium. Er argumentiert, sie habe vor den vergangenen Kommunalwahlen ihren Wohnort falsch angegeben. Die Wählbarkeitsvoraussetzungen seien damit weggefallen. Doch die Staatsanwaltschaft in München wird in der Angelegenheit nichts unternehmen: Von der Einleitung eines Strafverfahrens werde abgesehen, erklärte Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich in seiner Funktion als Pressesprecher des Gerichts am Freitag der SZ.

In ihrem Schreiben informierte John die Staatsanwaltschaft über die Vorwürfe des Fraktionsvorsitzenden der "Wählergemeinschaft pro Starnberg" (WPS), Picker: Der ist laut John der Ansicht, dass für Kammerl ein Mandatsverlust eingetreten sei und unterstellt ihr die Fälschung von Wahlunterlagen. Picker hatte im September in einer öffentlichen Ausschusssitzung massive Anschuldigungen gegen seine ehemalige Fraktionskollegin erhoben und Kammerl zur Niederlegung ihres Mandats aufgefordert.

Das Schreiben Johns liegt der Rechtsaufsicht am Landratsamt zur Kenntnisnahme vor. Der Stadtrat wurde nicht informiert. Gegenstand der Vorwürfe gegen die damalige WPS-Kandidatin sind die Angaben zu ihrem Wohnsitz in Niederpöcking und ihrem Atelier in Starnberg vor den Wahlen 2014 und 2015, die jeweils ohne Beanstandung geprüft worden waren. Im Mai trat Kammerl aus der WPS aus und gründete "Die Parteifreien".

Kammerl verlas im Bauausschuss am Donnerstag eine Erklärung und verwahrte sich gegen die "Verunglimpfungen des Herrn Picker". Sie habe bei der Verwaltung eine Wortabschrift der Tonaufzeichnung vom September angefordert, dazu aber bislang keine Antwort erhalten. Sie erhielt die Auskunft, dass ausgerechnet die ersten Sekunden der Ausführungen Pickers nicht mitgeschnitten worden seien. Sie fragte, ob John und Picker "eine kritische Stadträtin mundtot machen, in der Öffentlichkeit demontieren und demokratische Regeln außer Kraft setzen" wollen. John stoppte Kammerl mit Hinweis auf die Stadtratsitzung am kommenden Montag: Dort könne sie ihr Anliegen vortragen. Christiane Falk (SPD) beantragte später, die fragliche Aufzeichnung nicht zu löschen; Stefan Frey (CSU) zeigte sich erschüttert und kündigte Konsequenzen an.

Einige Stadträte interpretieren den Vorgang als Strafaktion gegen die WPS-Abtrünnige, andere sind entsetzt über den immer rüder werdenden Umgang untereinander. Der WPS-BMS-Allianz dagegen dürfte daran gelegen sein, anstelle von Kammerl dem WPS-Listennachrücker Georg Stahl den Einzug in den Stadtrat zu ermöglichen. Bürgermeisterin John selbst konnte dem Gremium am Donnerstag zur Sache keine Auskunft geben: Sie hatte die Sitzung vorzeitig gegen 20 Uhr verlassen und die Leitung der Sitzung Iris Ziebart übertragen.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: