Architektur im Landkreis:Hingucker

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Im Starnberger Landratsamt ist eine spannende Ausstellung über moderne Baukunst zu sehen. Experten sind begeistert von der gelungenen Architektur im Fünfseenland, der hochwertigen Bauweise und dem Mut zur Farbe

Von Christiane Bracht, Starnberg

Klare Linien, einfache geometrische Formen - ganz im Sinne der Lehre von Walter Gropius und seiner Bauhausbewegung - das ist im Landkreis Starnberg im Trend. Die klassische Moderne hat eben nicht nur viele Architekten beeinflusst, sie begeistert auch zahlreiche Bauherren im Fünfseenland - und zwar nicht nur aus ästhetischen Gründen: "Ein zweigeschossiges Gebäude mit Penthouse und Dachterrasse oben drauf lässt sich anders verkaufen und bietet für die Bewohner mehr Lebensqualität", erklärt Dieter Sinning, der als Fachbereichsleiter Technik im Landratsamt Starnberg die Ausstellung "Architektur im Landkreis" initiiert hat. 18 Gebäude, die in den vergangenen fünf Jahren neu entstanden sind, hat Sinning zusammen mit den jeweiligen Architekten im Foyer des Landratsamts in Szene gesetzt. Natürlich ist in dieser Zeit viel mehr gebaut worden, aber die Auswahl soll einen Einblick geben, wie sich das Fünfseenland langsam verändert. Denn die Erbengeneration reißt alte Gebäude weg und baut neu. Eine Entwicklung ist dabei unübersehbar: "Das Satteldach stirbt aus", sagt Sinning. "Wer baut, baut einen Kubus. Es gibt aber noch ein paar Gemeinden, die traditionell denken und Satteldächer im Bebauungsplan festlegen."

Nur ein einziges Wohnhaus von den in der Ausstellung präsentierten hat noch ein Satteldach, doch die Architektur trifft sicher nicht jeden Geschmack. Vor allem die dunkle Holzverschalung im Obergeschoss polarisiert, weiß Sinning. Auch die asymmetrische Loggia im Eckbereich gefällt nicht jedem. Während der Experte die "zeitgemäße Interpretation" der alten Gestaltungsform preist, wunderte sich ein Feldafinger über das Interesse des Ausstellungskomitees: "So eine Scheußlichkeit kann man kaum anschauen", schimpfte er als die Experten das Objekt inspizierten.

"Es reicht nicht, gute Architektur zu machen. Man muss auch darüber sprechen und die Menschen begeistern. Nur so kann sie sich auch durchsetzen" sagte Kreisbaumeister Christian Kühnel einleitend bei der Vernissage am Montag. Er ermunterte die Leute mit Freunden die Ausstellung zu besuchen, sich über die Werke zu unterhalten und dabei ruhig auch "emotional" zu werden. Denn Ziel der Ausstellung sei es, die Menschen zu berühren und zu beeinflussen. Kontrovers diskutiert wurde übrigens nicht nur das Feldafinger Wohnhaus, sondern auch das Bürogebäude mit Hochregallager von Cordello am Rande des interkommunalen Gewerbeparks von Inning und Wörthsee. Sinning bezeichnete den mächtigen grauen Riegel mit seinen Abstufungen zur einen Seite hin als "architektonischen Reizpunkt an der Schnittstelle zur freien Natur". Auch die Denkfabrik des DLR, das Robotik- und Mechatronikzentrum, ist auf einer Tafel dargestellt. Sinning empfahl den Besuchern, mal eine Führung durch das Gebäude mitzumachen. Die DLR bietet dies an. "Es ist hochinteressant", schwärmte der Architekt und meinte damit nicht so sehr die wissenschaftliche Arbeit des Unternehmens, sondern die vier Atrien, in die das Gebäude gegliedert ist.

"Man baut hier durchaus aufwendig und legt Wert auf gute Architektur", stellte Kühnel fest. "Das ist ein markantes Zeichen vom Fünfseenland" - nicht nur bei den Firmen, sondern auch bei Privatleuten, die sich ihren Traum vom Haus verwirklichen. Grund sind wohl die hohen Preise für die Grundstücke, die hier viel teurer sind als in den Nachbarlandkreisen. So sind am Ortsrand von Inning drei Einfamilienhäuser entstanden, die sich sehr gut in die hügelige Landschaft einfügen. Im Erdgeschoss sind die Schlafräume mit großen Fenstern, deren Läden man zuklappen kann, wenn man sich ins Private zurückziehen will. Darüber etwas zurückversetzt sind die Wohnräume mit Glasfassade rundherum und einem großen überstehenden Flachdach. Von innen hat man sicher das Gefühl man wohne mitten in der Natur.

Ein anderes Wohnhaus in Weßling ist vollständig aus recyceltem Holz erbaut. "Das war mal das Pressezentrum bei der Fußballweltmeisterschaft", erklärt der Architekt, der selbst in dem Haus wohnt. Überhaupt spielt Holz bei den kürzlich entstanden Neubauten eine große Rolle - auch bei den kommunalen Gebäuden übrigens. "Es hat energetisch die bessere Bilanz", weiß Sinning. "Und dank einiger Fertigbauteile ist Holz auch von der Kostenseite her eine interessante Alternative."

Bei den Zweckbauten, Kindergärten und Schulen etwa, hat sich architektonisch ebenfalls viel getan. Anders als in den 1960er und 70er Jahren sind die neuen Gebäude jetzt "richtige Hingucker". Sinning und Kühnel sind begeistert vom "Mut zur Farbe", nicht nur an der Gautinger Realschule, die in mehreren Farben schimmert, sondern auch an der Mensa der Starnberger Mittelschule, die noch dazu eine sehr außergewöhnliche Form hat: Das abgerundete Dreieck mit gebogener Glasfassade schwebt fast schon über der Ferdinand-Maria-Straße.

Sehr gelungen ist auch das neue Seminarzentrum der Volkshochschule München am Starnberger See. Es galt als außerordentlich schwierig, auf dem Gelände von Haus Buchenried eine passende Lösung zu finden. Den Architekten gelang es, nicht nur die alten Bäume zu erhalten, sondern auch den Neubau so dezent zu planen, dass die beiden denkmalgeschützten Häuser optisch nicht erschlagen werden. "Eine baulich sehr gelungene Verbindung von Altem und Neuem", lobte Sinning.

Die Vielfalt der Ausstellung, die noch bis zum 8. Januar im Foyer des Landratsamts zu sehen ist, zeigt sich aber vor allem darin, dass die Organisatoren auch die aktuellste Thematik aufgegriffen haben: die Flüchtlingsunterkünfte. Das Kreisbauamt hat zusammen mit einem Architekten Wohncontainer konzipiert, um den Asylbewerbern nicht nur ein Dach über dem Kopf zu bieten, sondern auch etwas Privatsphäre. Maximal sechs Personen sollen in jedem Container leben. Momentan sind etwa zehn Containerdörfer im Landkreis geplant und es werden noch mehr, weiß Kühnel. "Sie werden unseren Landkreis stark prägen." Der Kreisbaumeister sieht in den Containern nicht nur eine logistische Herausforderung, sondern auch einen wichtigen Teil "unserer Baugeschichte".

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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