Mobil ohne Auto:"Gespensterdebatte über Geisterbusse"

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Die Kreisräte möchten zwar ein dichtes Busnetz, haben aber das Gefühl, dass dieses zu wenig genutzt wird. Kritik gibt es auch an der neuen Expressbuslinie X 910 von Weßling zur U-Bahn nach Großhadern

Von Wolfgang Prochaska, Starnberg

Die Kreisräte bekommen wegen der künftigen Schuldenlage des Landkreises allmählich kalte Füße, wenn es um neue Investitionen geht. Bestes Beispiel: Die neuen Buslinien für den westlichen Landkreis und die geplante Einführung einer Expressbus-Verbindung von Weßling zur U-Bahn nach Großhadern. Als die Verkehrsmanagerin des Landkreises, Susanne Münster, in der Sitzung des Kreisausschusses das neue Busnetz vorstellte, gab es wieder einmal viel Lob für sie, aber in der Diskussion kamen doch erhebliche Bedenken auf, ob all die Busfahrten notwendig seien.

Von "Geisterbussen" sprach Bernhard Sontheim (Freie Wähler) und auch Albert Luppart (Freie Wähler) hatte das Gefühl, dass man den Leuten, die etwa von Aschering mit dem Bus nach Starnberg fahren wollen, lieber ein Taxi zahlen sollte, das wäre billiger. Auch die neue Expressbuslinie X 910 zur U-Bahn nach Großhadern war nicht ganz nach dem Geschmack der Kreisräte. Von "nice-to have" sprach Luppart, was heißen sollte: Schön zu haben, wenn man es sich leisten kann. Zwei Millionen Euro würde die Einrichtung dieser Linie in den vier Jahren Testphase dem Landkreis kosten. Viel Geld aus Sicht der Kreisräte. Sontheim verwies in der Diskussion darauf, dass man keinem Beschluss fassen könne, da ja bei den Haushaltsberatungen im Herbst alle Vorhaben des Landkreises auf dem Prüfstand gestellt werden sollen. "Ich kann den Linien nicht zustimmen", sagte er. Oswald Gasser (FDP) forderte Einsparungen: "Können wir uns wirklich noch alle Wünsche leisten?" Nach seiner Ansicht sollte der Expressbus bis Herbst zurückgestellt werden. Außerdem möchte er an Sonntagen keine Busse fahren lassen, um Geld zu sparen. Schon allein dieses Diskussion zeigte, wie sensibel die Kreisräte geworden sind, wenn es um Geld geht. Zu sehr steckt ihnen der Schrecken in den Knochen, dass nach der neuen Finanzplanung der Landkreis im Jahre 2020 auf eine Schuldenhöhe von 111 Millionen Euro kommt. Erschwerend kommt hinzu, dass bei den Buslinien auch noch die Gemeinden ihr Plazet geben müssen. Weßling will eine Neuverteilung der Kosten und sieht sich zu hoch belastet. "Die Luft für die Gemeinden wird immer dünner", meinte Andreas Lechermann (CSU), der auch Weßlinger Gemeinderat ist, in der Sitzung.

Susanne Münster geriet plötzlich in eine für sie ungewohnte Rolle: Sie musste ihr Liniennetz und die Bustouren verteidigen. Sie machte deutlich, dass sie jetzt eine Zustimmung brauche, um die Linien auszuschreiben. Sie rechnet damit, dass sie dann im November einen Antrag auf Fördermittel stellen kann. Da die neuen Linien erst im Dezember 2017 verkehren werden, wäre der Haushalt 2018 erstmalig belastet. Danach gab es weiteren Aufklärungsunterricht für die Kreisräte. So sei das Fahrgastaufkommen weiter steigend, selbst bei der Aschering-Linie. "Die Linie 951 von Starnberg nach Herrsching ist abends und morgens total voll", sagte sie. Natürlich fahren in der Gegenrichtung weniger Leute mit und möglicherweise hat man dadurch den Eindruck, es seien "Geisterbusse". Nach ihren Erfahrungen brauche es zweieinhalb Jahre, bis die Linie "in den Köpfen" ist.

Unterstützung erhielt sie von den Grünen, der SPD und selbst von der CSU. Tim Weidner (SPD) meinte: "Wir entwickeln für die Zukunft."Man soll nichts kaputt reden. Er sprach von einer "Gespensterdiskussion über Geisterbusse". Anton Maier (Grüne) wunderte sich über die Gemeinde Weßling und ihre Kostenbelastung: "Schnell mal in Sonderbaulast eine Umfahrung in die Landschaft zimmern und sinnvolle Radwege abschneiden, das geht schon", während Martina Neubauer (Grüne) etwas weniger polemisch erinnerte, dass man nicht alles durch die "Autofahrerbrille sehen" solle. "Wir müssen auch an alle denken, die kein Auto haben, weil sie zu alt oder zu jung sind oder es sich nicht leisten können oder nicht wollen." Landrat Karl Roth hält den Expressbus zwar für ein "bissl Luxus", ist aber von dem Busnetz überzeugt. Am Ende empfahl das Gremium gegen drei Stimmen die Einrichtung aller Linien. Der Kreistag am 25. Juli hat nun das letzte Wort.

© SZ vom 11.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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