Starnberg:Geisterschiff im Sturm

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In den vergangenen Tagen und Nächten fegen schwere Herbststürme über den Landkreis hinweg. Bäume krachen um, und für die Einsatzkräfte ist die Situation gefährlich

Von Christian Deussing, Starnberg

Die ersten heftigen Herbststürme sind über das Fünfseenland gefegt und haben vor allem die Feuerwehrleute aus Allmannshausen schwer gefordert. Bereits am Montagmorgen krachte ein Baum auf der Staatsstraße zwischen Münsing und Allmannshausen in einen RVO-Linienbus, dessen Windschutzscheibe zerschlagen wurde. Der Fahrer und zwei Fahrgäste wurden leicht verletzt. Im selben Waldgebiet, dem Weipertshausener Holz, stürzte am späten Montagabend erneut eine vom Sturm entwurzelte Fichte auf die Staatsstraße. "Als wir ankamen, krachte noch ein zweiter 30 Meter langer Baum herunter", berichtet der Allmannshauser Feuerwehrkommandant Hans Georg Urban. Die Situation war so gefährlich, dass die 18 Feuerwehrleute sofort umkehren mussten und die Staatsstraße sperren ließen.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Die Wellen peitschten in die Herrschinger Bucht.

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(Foto: Arlet Ulfers)

Der Sturm erfreute vor allem die Kitesurfer, denn dank der kräftigen Böen konnten sie auch am Dienstag noch hoch hinaus.

Auch der Bau der neuen Containeranlage in Inning für Asylbewerber musste am Montag gestoppt werden.

Erst als die Winde am Dienstagmorgen allmählich abflauten, konnte die Feuerwehr die querliegenden Bäume ohne Risiko zersägen und beseitigen. Die umgestürzten Bäume mit relativ dünnen Stämmen seien vor Sturmböen wohl relativ ungeschützt gewesen, weil an dieser Waldstelle ausgeholzt werden musste, erläutert der Kommandant. Die Hindernisse wurden jedoch für viele Autofahrer im Berufsverkehr bis etwa 9.15 Uhr zur Staufalle. Es habe vorher keine Warnschilder zur gesperrten Straße in Richtung Berg gegeben, ärgerte sich ein Autofahrer aus Ammerland.

Aber nicht nur er hatte doppeltes Pech an diesem Morgen. Denn auch die Ausweichroute über die Garmischer Autobahn in Richtung München war verstopft und wurde zur Geduldsprobe. Nach Polizeiangaben hatte ein Auffahrunfall mit vier beteiligten Fahrzeugen und drei Leichtverletzten einen Stau von mehreren Kilometern verursacht. Auch zu diesem Unfall mussten Feuerwehrleute ausrücken. Andere Autofahrer wiederum, die über Höhenrain auswichen, saßen erhebliche Zeit im Nadelöhr Percha vor dem Autobahnzubringer fest.

Durch den Sturm kam es aber auch zu anderen Problemen: In Inning konnte der Kranführer, der zum Aufstellen der Container nötig ist, sturmbedingt nicht weiterarbeiten. "Wir stehen jetzt unter erheblichem Zeitdruck", sagt Kreisbaumeister Christian Kühnel dazu. Weitere Ausfälle wegen Unwettern oder zu starkem Wind kann man sich dort offenbar nicht mehr leisten. Auch am Westufer des Starnberger Sees, vermutlich vor Tutzing, kam es zu einem Zwischenfall: Hier wurde eine Segeljacht von einer Boje oder einem Steg losgerissen. Das "Geisterschiff" trieb bis nach Ammerland hinüber zum Ostufer, die starken Wellen haben die etwa acht Meter "Greece" an einen Badesteg gedrückt und mit dem Kiel in den Kieselgrund gebohrt. "Jetzt suchen wir den Eigner, um die Jacht bergen zu können", sagt Tobias Lämmle, Leiter der Wasserwacht Ammerland. Er sei froh, dass die meisten Boote inzwischen "hereingeholt" worden seien. Ansonsten blieb es im Fünfseenland relativ ruhig. Feuerwehrleute beseitigten einen umgewehten Baum in der Wielinger Straße in Feldafing, wurden in Königswiesen in der Gemeinde Gauting alarmiert, weil mehrere Bäume vor dem Umstürzen waren. Die Polizei meldete zudem ungewehte Verkehrsschilder. Auch in Starnberg selbst hinterließ der Sturm keine gravierenden Spuren. Die Einwohner hatten gelbe Säcke an Zäunen festgezurrt oder als Türmchen zwischen Laternenpfahl und grauem Verteilerkasten eingeklemmt. Sturmerprobt ist Annemie Gschwendtner, die mit ihrem Ehemann seit 26 Jahren den Kiosk an der Seepromenade betreibt. Sie fegt mit einem festen Besen einige Zweige vor dem Verkaufstand weg, während der eisige Wind wie an der Nordsee ihr ins Gesicht bläst. Die kleinen Stofftiere baumeln lustig an den kleinen Haken, manche Bärchen fallen auch mal herunter. Die Besitzerin hat schon morgens ihre Postkartenständer in den windgeschützten Nebeneingang gestellt. Nur die Eiswerbetafel steht noch vor dem Kiosk - und ist mit schweren Schirmständern gesichert.

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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