Verwaltung:Frustrierte Asylhelfer

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Macht seinem Unmut Luft: Manfred Boll, Leiter des Andechser Helferkreises Asyl, moniert die mangelnde Unterstützung seiner Gruppe. Die Zahl der Mitglieder ist stark zurückgegangen. (Foto: Nila Thiel)

Die Gruppen im Landkreis beklagen den hohen bürokratischen Aufwand bei ihrer Arbeit und die restriktive Haltung des Landratsamts bei Arbeitserlaubnissen. Ein eigener Kreis soll nun die Kommunikation mit Behörden verbessern

Von Ute Pröttel, Starnberg

Der Frust ist groß: Manfred Boll, Leiter des Helferkreises Asyl in Andechs, zog eine ernüchternde Bilanz: "Die Bürokratie mit der sich die ehrenamtlichen Helfer konfrontiert sehen, ist ein Wahnsinn und ein Ende nicht in Sicht." Die Zahl der aktiven Helfer habe sich in Andechs von ehemals gut 100 auf 10 bis 20 Personen reduziert. Dem Gemeinderat warf Boll vor, in Sachen Öffentlichkeitsarbeit, Wohnungen und Arbeitsplätze praktisch nichts unternommen zu haben. Einzig das Problem der Kindergartenplätze für die Jüngsten unter den Flüchtlingen sei gelöst worden. Die örtlichen Vereine und die Pfarreien kamen in Bolls Resümee ebenfalls nicht gut weg. Ähnliche Erfahrungen haben auch Mitglieder der 16 anderen Helferkreise im Landkreis Starnberg gemacht. Sie wollen sich nun vernetzen, um bei den Behörden durchzudringen.

70 Bewohner zählt die für 96 Personen ausgelegte Containeranlage am Birkenmoosäckerweg in Andechs derzeit. Die Menschen stammen aus Irak, Syrien, Afghanistan, Eritrea und Nigeria. Immerhin elf der vom Helferkreis betreuten Flüchtlinge haben eine Festanstellung. Drei absolvieren eine Lehre, neun Bewohner besuchen in Weilheim oder Starnberg einen Vorbereitungskurs auf einen Beruf. In 50 Fällen ist das Asylverfahren abgeschlossen, acht Verfahren laufen noch. In der Regel wurde gegen eine Ablehnung Einspruch eingelegt. Alle Aufenthaltsgestattungen sind zeitlich befristet. Anerkannte Asylsuchende sind aufgefordert, die Unterkünfte zu verlassen, doch auf dem freien Markt ist es schwierig, eine Wohnung zu finden. Boll mahnte dringend die Schaffung von sozial gebundenem Wohnraum an. Besonders wichtig für die Flüchtlinge sei auch die Versorgung mit WLAN und Internet. Arbeits- und Wohnungssuche, der Kontakt zu Familie und Freunden, das alles laufe über das Internet, sagte Boll. Erst ein gutes Jahr nach Bezug der Containeranlage waren die 16 Wohnungen endlich mit Internetempfang ausgestattet.

Sehr ähnliche Erfahrungen hat Peter Morgenroth vom Asylhelferkreis der Gemeinde Berg gemacht. Im August schrieb er einen offenen Brief an die Bundestagskandidaten des Wahlkreises Starnberg/Landsberg/Germering (http://asyl-in-berg.de/pages/posts/mail-an-die-wahlkreis-kandidaten-139.php). "Weiter zu schweigen, ging nicht," sagt er im Gespräch mit der SZ. Zuerst war er als Deutschlehrer im Einsatz. Seit einem Jahr betreut er eine Gruppe junger Pakistani und versucht, sie beruflich unterzubringen. "Die Menschen leben auf, wenn sie arbeiten dürfen", ist seine Erfahrung. Umso frustrierender sei die Vorgehensweise des Landkreises Starnberg, Asylbewerbern, die gegen die Ablehnung ihres Antrages klagen, keine Arbeitserlaubnis mehr zu erteilen. "Die Arbeitserlaubnis ist ein Hebel, um Menschen zu deprimieren und nicht anerkannte Flüchtlinge zu frustrieren", so Morgenroth. Landrat Karl Roth wirft er vor, in dieser Hinsicht linientreu auszuführen, was das Bayerische Innenministerium vorgibt. Dadurch erhöhe sich die Zahl arbeitsloser und abgelehnter, aber nicht abschiebbarer Flüchtlinge. Im laufenden Verfahren sollte der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" gelten.

Auch die seit August an Bewohner von Flüchtlingsunterkünften verschickten Mietbescheide, die rückwirkend erhoben werden, hält Morgenroth für Schikane. 310 Euro pro Monat für ein Bett in einem Dreibettzimmer im Container sei Mietwucher. Dafür sei allerdings nicht das Landratsamt verantwortlich, so Behördensprecher Stefan Diebl: "Wir haben die Container-Wohnanlagen heuer im Frühjahr nach und nach an die Regierung von Oberbayern abgegeben." Was die Arbeitsgenehmigungen betrifft, sagt er: "Was rechtlich möglich ist, machen wir, aber es gibt Grenzen, wo eine Arbeitsgenehmigung nicht möglich ist."

17 Asylhelferkreise gibt es im Landkreis. Nicht alle haben so viele Federn lassen müssen wie die Andechser. Ihre Probleme und ihr Frust sind aber vergleichbar mit dem Bild, das Manfred Boll zeichnet. "Die Helferkreise müssen sich noch besser vernetzen, um mehr Gehör zu finden", ist Boll überzeugt. Das passiert gerade. Am 18. Oktober gründeten die Helferkreise im Landkreis eine Kontaktgruppe, um die Kommunikation mit Behörden, insbesondere dem Landratsamt und der Regierung von Oberbayern, zu intensivieren. Ihr gehören Eva Ott aus Gilching, Jürgen Martin aus Starnberg und Jürgen Schade aus Gauting-Stockdorf an. Sie wollen in regelmäßigen Treffen mit Verwaltung und Politik auf die Lösung von Grundsatzfragen dringen. Jürgen Martin vom Asylhelferkreis Starnberg setzt dabei auf den "konstruktiven Dialog".

Bei einem Treffen aller Helferkreise Ende September erklärten sich Landrat Karl Roth und der Vertreter der Regierung von Oberbayern bereit, regelmäßig mit Beauftragten der Gruppen zusammenzutreffen. Das erste Treffen mit der neuen Kontaktgruppe ist für Ende November angesetzt. Der Helferkreis Asyl in Andechs plant einen Infoabend für Bürger am 6. November, 19.30 Uhr, im Vereinsheim des TSV Erling-Andechs.

© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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