Leere im Saal:Farce am Morgen

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Viele Stühle blieben leer: 23 Stadträte fehlten bei der Sondersitzung des Stadtrats am Freitagvormittag. Das Gremium war nicht beschlussfähig. (Foto: Otto Fritscher)

Bürgermeisterin Eva John zieht die Sondersitzung am Freitagvormittag eisern durch, obwohl nur sechs von 30 Stadträten anwesend sind. Und das Landratsamt schon vorab erklärt, dass Beschlüsse rechtswidrig wären

Von Otto Fritscher, Starnberg

Michael Mignoli wird langsam ungeduldig. "Frau Bürgermeisterin, es ist zwei nach Neun, und ich müsste wieder in die Arbeit", ruft der BLS-Stadtrat Eva John zu. "Wir warten noch eine Minute", antwortet sie. Es werden zwei, aber es erscheint kein Stadtrat mehr an diesem Freitagmorgen um 9 Uhr im kleinen Sitzungssaal des Rathauses. Das Rund weist riesige Lücken auf, denn gerade mal sechs von 30 Stadträten sind zur Sondersitzung mit dem Thema Verkehr zu dieser ungewöhnlichen Zeit erschienen. Außer Mignoli sind es Anton Summer, Christine Lipovec und Josef Pfister (alle BMS), Klaus Huber (WPS) und Anton Wiesböck (FDP), mithin nur Unterstützer der Bürgermeisterin, die in letzter Zeit immer öfter die Mehrheit im Stadtrat gegen sich hatte.

Die Sondersitzung war von Vize-Bürgermeister Klaus Rieskamp (BLS) und zehn weiteren Stadträten beantragt worden, um eine "Liste der Versäumnisse" abzuarbeiten, allesamt wichtige Verkehrsprojekte in der Stadt. John hatte allerdings nach Ansicht der Kommunalaufsicht im Starnberger Landratsamt die Ladungsfrist nicht eingehalten. Somit seien alle gefassten Beschlüsse ungültig.

John eröffnet die Sitzung, nimmt das Wort "beschlussfähig" aber nicht in den Mund. Es werden an diesem denkwürdigen Vormittag auch gar keine Beschlüsse gefasst - aber John arbeitet dennoch die gesamte Tagesordnung mit neun Punkten eisern ab - vom Tunnel bis zum Autobahnanschluss von Schorn. John kritisiert, dass "keiner dieser Stadträte, die die Sondersitzung beantragt haben, heute anwesend ist". Auch seien zu den Punkten keine Anträge beigefügt worden, was Mignoli mit dem Hinweis, "die sind doch alle bekannt", kontert. Um halb zehn taucht dann Günther Picker (WPS) auf, dafür verlässt Mignoli die Sitzung. Er sagt: "Ich find's traurig, was hier läuft." John antwortet: "Und ich find's schlimm." Huber kritisiert, man wolle die Bürgermeisterin "ins offene Messer rennen" lassen, Picker ärgert sich über die "fünf Abweichler, die die Umfahrung unmöglich gemacht haben. Wir versuchen das mit einem Bürgerentscheid zu reparieren." Die Sache liegt derzeit vor Gericht.

Es wird auch ein bisschen hin und herdiskutiert, über die ortsferne Umfahrung zum Beispiel, John erläutert zu jedem Punkt den Sachverhalt, es gibt nichts wesentlich Neues. John sagt auch: "Stadtrat funktioniert nicht so, dass man sich vor der Sitzung abspricht und das dann alles durchsetzt."

Um 10.25 Uhr schließt John die Sitzung. Auf die Frage, was das für ein Gefühl gewesen sei, vor nahezu leeren Ratstischen zu sitzen, sagt sie zur SZ: "Es war ungewöhnlich, aber es waren ja welche da." Sie lobt die "sehr angenehme Diskussion, klar in der Sache und persönlich wertschätzend". Was allerdings nicht so verwunderlich ist, da nur ihre Unterstützer da waren. Eine "Farce" sei die Sitzung nicht gewesen, "aber der Input hat gefehlt." Womit die Bürgermeisterin die Absenz der restlichen Stadträte meint. Diese nennt sie "Opposition". Und sie fügt hinzu: "Wenn man zwei, drei oder vier Sitzungen pro Monat will, muss ich andere Sitzungszeiten suchen." Und dann dies: "Wir müssen für die nächsten zweieinhalb Jahre eine Linie finden. Diesen Kampfmechanismus hält der Stadtrat nicht aus."

Doch es scheint vorhersehbar, dass der Streit weitergeht. Rieskamp und zehn Stadträte haben John am Freitagnachmittag erneut ein Schreiben geschickt, in dem sie eine Wiederholung der Sondersitzung Verkehr fordern. Sie soll zwischen dem 13. und 16. November stattfinden. John indes hat angekündigt, prüfen zu lassen, ob die neue Stadtratsmehrheit mit ihren mehrfachen Anträgen auf Sondersitzungen überzieht - sprich, ob das von der Gemeindeordnung gedeckt ist.

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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