Starnberg:Entlastung für die Innenstadt

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Zehn Varianten zu einer veränderten Verkehrsführung in Starnberg hat das Ingenieurbüro SHP untersucht, nur zwei davon sollen vertieft werden. Die Allianz der Umfahrungsbefürworter will alle zustimmenden Beschlüsse zum B2-Tunnel aussetzen und eine ortsnahe Umfahrung planen lassen

Von Peter Haacke, Starnberg

Große Hoffnungen setzt man in Starnberg weiterhin auf die Erkenntnisse eines Verkehrsentwicklungsplans. Im Projektausschuss Verkehrsentwicklung präsentierte das Ingenieurbüro SHP (Hannover) am Montag in der Schlossberghalle vor rund 80 Zuhörern den dritten Teil ihrer Vortragsreihe, der sich auf die Situation im Innenstadtbereich konzentrierte. Eine Mehrheit im Gremium stimmte dafür, für zwei der insgesamt zehn vorgestellten Varianten ein Umsetzungskonzept erarbeiten zu lassen. Zudem beschloss der Ausschuss mit Stimmenmehrheit von WPS, BMS, BLS und FDP die Empfehlung an den Stadtrat, "alle zustimmenden Beschlüsse des Stadtrats zum planfestgestellten Projekt B2-Entlastungstunnel auszusetzen".

Auf einen Vorschlag von Bürgermeisterin Eva John soll außerdem geprüft werden, ob es sinnvoll ist, dass sich die Stadt bei der anstehenden Online-Öffentlichkeitsbeteiligung zum Entwurf des Bundesverkehrsministeriums ablehnend zum Tunnel äußert. Eine Vorentscheidung für oder gegen eine der insgesamt vier Entlastungsvarianten - Tunnel, ortsferne oder ortsnahe Trasse - fiel dagegen nicht. Einhellig beschloss der Ausschuss, alle vier diskutierten Möglichkeiten im Rennen zu belassen. Allerdings soll für eine ortsnahe Umfahrung als innere oder äußere Variante ebenfalls ein Realisierungskonzept erarbeitet werden.

SHP-Geschäftsführer Jörn Janssen und sein Team präsentierten zum Auftakt der nahezu vierstündigen Veranstaltung ihre "Verkehrsphilosophie", die bereits in vielen deutschen Städten eine Aufhebung der strikten Aufteilung von Verkehrsräumen anstrebt. Stattdessen wird eine Veränderung der Situation "in Richtung Gleichberechtigung" angepeilt: Stufenweise weniger Trennung, mehr Funktionalität und mehr soziale Kommunikation im Verkehr. Der Ansatz einer Begegnungszone im Bereich des Bahnhofs zog sich durch alle zehn Varianten - darunter ein Vorschlag der Stagenda und der CSU -, die das SHP-Team untersucht hat.

Ziele der Ausarbeitung waren unter anderem die Entlastung der Innenstadt vom gebietsfremden Verkehr, die Schaffung von Voraussetzungen für eine Verbesserung der straßenräumlichen und städtebaulichen Situation, Erhöhung der Aufenthaltsqualität, Verbesserung der Situation am Tutzinger-Hof-Platz, Erhöhung der Verkehrssicherheit, Verbesserung der sozialen Kommunikation, Reduktion von Lärm- und Schadstoffemissionen und die Erhöhung des Freizeitwertes. Wenig überraschende Erkenntnis: Alle Varianten haben Vor- und Nachteile.

Grafik: SZ (Foto: p)

Insbesondere eine Mehrbelastung der Hauptstraße und der Dinardstraße wurde mehrfach kritisiert. Zwar traf der Vorschlag der CSU, der eine reine Fußgängerzone in Wittelsbacher- und Maximilianstraße vorsah, auch auf große Sympathie bei BLS-Chef Walter Jann, Stefan Frey (CSU) stellte diese Variante zunächst zurück, in der Abstimmung fiel sie durch. Argumente gegen den Stagenda-Plan waren, dass sich Ortsfremde wegen der vielen Einbahnstraßen nur schwer orientieren könnten und dass Parkhäuser dann nicht mehr erreichbar wären. Auch die jüngste SHP-Präsentation mit Erläuterung zu Vor- und Nachteilen findet sich im Internet auf der Homepage der Stadt unter der Adresse www.starnberg.de.

Im Verlauf der Debatte ergaben sich eine Reihe unterschiedlichster Fragen zum komplexen Thema. Einig war man sich darin, dass der Verkehr nur verlagert wird, nicht aber verschwindet. Die Starnberger sollen laut Johni m Rahmen einer strukturierten Bürgerbeteiligung an der Debatte beteiligt werden. Allerdings ist dann bereits die wichtigste Entscheidung gefallen: Das Gremium beschloss, für die Varianten 5 (als Vorstufe) und 8 ein Umsetzungskonzept erarbeiten zu lassen. Der SPD-Antrag auf eine Bürgerversammlung fiel durch. Als kurzweilige Angelegenheit erwies sich die Beantwortung offener Fragen von CSU und UWG sowie die Stellungnahme der BLS zu den SHP-Prognosen von Umfahrungsvarianten und B2-Tunnel, die sich ebenfalls auf der Homepage der Stadt finden. Die Verkehrsexperten hatten eine neue Matrix unter Berücksichtigung von Tempo 30 auf ausgewählten Straßen im Stadtgebiet erstellt; ein fundamentaler Erkenntnisgewinn oder eine Verschiebung der bereits vorliegenden Ergebnisse ergab sich dadurch allerdings nicht. Eine offensichtliche Diskrepanz ergab in der Interpretation des Wortes "Realisierungskonzept". SHP-Chef Janssen warnte allerdings vor einer "finalen Entscheidung", ohne dass alle relevanten Informationen auf dem Tisch liegen: "Das lässt sich heute Abend nicht festlegen", sagte er.

Erhellender war die nachfolgende Debatte um einen im Vorfeld viel diskutierten WPS-Antrag: Nachdem man sich im Gremium grundsätzlich darauf verständigt hatte, alle vier Szenarien "auf Augenhöhe" (Jann) weiterhin vertieft zu untersuchen, beharrte die WPS nicht länger darauf, alle Stadtratsbeschlüsse zum B2-Tunnel aufzuheben, sondern nur "auszusetzen". Gleichwohl kritisierten Vertreter von UWG, CSU, SPD und Grünen die fatale Signalwirkung nach Berlin. Im Auditorium indes kursierte der Scherz, die Umfahrungs-Allianz wolle das Thema lediglich "aussitzen" und den B2-Tunnel weiterhin torpedieren.

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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