Starnberg:"Einfach Wahnsinn, das Wetter"

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Die ungewöhnlich hohen Temperaturen im Winter machen den Bauern im Landkreis keine allzu großen Sorgen. Sie befürchten aber große Schäden durch die anhaltende Trockenheit. Und es droht wieder eine Borkenkäfer-Plage

Von Armin Greune, Starnberg

Voll entwickelte Schneeglöckchen schon vor der Wintersonnwende, blühende Rosen und surrende Bienen an Weihnachten: Das Wetter scheint wieder einmal verrückt zu spielen. Abgesehen von einer Woche Ende November war der Winter im Fünfseenland bislang ein Komplettausfall: Seit Wochen herrschen Temperaturen, die eigentlich für April typisch sind - und zumindest bis Neujahr wird sich daran wohl auch nichts ändern. Nicht nur Gartenbesitzer fürchten, dass die Natur völlig aus dem Gleichgewicht gerät und irreparable Schäden drohen. Doch Förster, Landwirte und Gartenexperten sind sich einig, dass die Tier- und Pflanzenwelt das ungewöhnlich warme Wetter kaum beeinträchtigt - die Trockenheit bereitet ihnen mehr Sorgen.

Im November wurden in der agrarmeteorologischen Messstation Rothenfeld 18 sogenannte Vegetationstage erfasst, an denen die Durchschnittstemperatur mehr als fünf Grad plus betrug. Im Dezember waren es bis Weihnachten nochmals 13, seit dem 16. war jeder Tag ein Vegetationstag. Das Monatsmittel liegt schon fünf Grad über dem der Jahre 1961 bis 1990.

"Einfach Wahnsinn, das Wetter" sagt Kreisbauernobmann Georg Zankl. Doch Gefahren oder Einschränkungen für die Landwirtschaft kann er darin nicht erkennen. "Wir bräuchten nur mehr Niederschläge." Schon vom 20. Oktober bis 19. November fiel praktisch kein Regen. In den fünf Wochen seit dem 22. November waren es in Rothenfeld nur 37 Millimeter - während allein am 20. November 57 Millimeter Niederschlag verzeichnet wurde. Aus der anhaltenden Wärme könnten die Bauern freilich auch kaum Vorteile ziehen, sagt Zankl. Obwohl Zwischenfrüchte auf den Feldern derzeit noch Stickstoff aufnehmen könnten, erlaube es die Düngermittelverordnung nicht, Gülle auszubringen.

Frühling im Winter: Die Obstbäume auf dem Gilchinger Marktplatz haben zu blühen angefangen. Da staunen die Spaziergänger. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Auf Äckern ist das Odeln seit dem 1. November, auf Grünland seit dem 15. November untersagt - was Zankl als "nicht mehr praxisgerecht, aber vorerst nicht zu ändern" empfindet. Die Qualität der Böden könnte zudem leiden, wenn Frostperioden in diesem Winter ganz ausblieben: Denn Eis in den Poren im Erdreich erzeugt die sogenannte Frostgare, eine krümelige Bodenstruktur, die das Pflanzenwachstum fördert. Zankl ist jedoch zuversichtlich, dass sich bis zum Frühjahr noch die nötigen Minusgrade einstellen.

Selbst wenn die Temperatur demnächst ganz schnell falle, sieht Jürgen Ehrhardt, Kreisfachberater für Gartenbau, "überhaupt keine Gefahr für unsere Pflanzenwelt". Die habe inzwischen fast überall das Wachstum eingestellt, nur vereinzelt in extrem geschützten Lagen sei ein vorzeitiger Knospenaustrieb zu beobachten. Bei einem plötzlichen Frosteinbruch sei es eventuell ratsam, diese Frühblüher mit Mulch oder Reisig zu schützen. Auch Kübelpflanzen sollte man rechtzeitig wieder ins Haus holen. Ehrhardt empfiehlt zudem, immergrüne Laubgehölze wie Winter-Schneeball oder Buchsbaum zu gießen: "Es war schon die letzten Monate über viel zu trocken".

Weihnachtsspaziergang durch die grüne Flur, wie hier in Walchstadt bei Steinebach. Noch bis Neujahr bleiben die Temperaturen frühlingshaft. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Bäume im Wald haben mit dem warmen Winterwetter zumindest vorerst kein Problem, sagt der Andechser Revierförster Luitpold Schneider: "Wir rechnen sogar mit weniger Ausfällen als in sehr strengen Wintern". Doch die Schädlingsentwicklung im Wald bleibe besorgniserregend. Hohe Temperaturen im Hochwinter würden zwar den Borkenkäfern eher schaden, wie der Leiter des Staatsforstbetriebs München, Wilhelm Seerieder, ergänzt: "Sie verbrauchen mehr Fettreserven und werden eher von Parasiten angegriffen." Die warmen Tage im Herbst freilich hätten die Ausbreitung der Käfer noch einmal begünstigt. Sie überwintern nun unter Baumrinden oder im Waldboden. Falls nun noch ein warmes Frühjahr folgt, fürchten die Förster eine Borkenkäfer-Massenvermehrung.

Deshalb drängt Schneider die privaten Waldbesitzer, "jetzt alle befallenen Bäume zügig aufzuarbeiten." Im Staatsforst habe man diese Aufgabe bereits in den vergangenen Monaten erledigt, sagt Seerieder: "Inzwischen machen wir kaum mehr Holz." Auch ihm bereitet die anhaltende Trockenheit Probleme: In Windwurflöchern und auf Freiflächen wurden heuer sehr viele Eichen gepflanzt, einige dieser Kulturen weisen bereits erste Dürreschäden auf.

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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