Starnberg:Die Besessenen

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Zehn Jahre Recherche: Gordian Mauggs "Fritz Lang" besitzt steile These

Eine Bestie wird befragt. Der Gefängnisbesucher, ein feiner Herr, trägt Monokel, sein Gegenüber Handschellen. Das förmliche Sie weicht bald dem Du, irgendwann legt Fritz Lang seine Hand auf die Hand des Serienmörders Peter Kürten und sagt ganz ruhig, auch er wisse, was es bedeute zu morden, also an der Front. Schön und gut, aber kann es sein, dass Lang noch eine andere Leiche im Keller hat? Eine Tötung im Affekt, die nicht mit Maschinengewehrfeuer und dem Wahnsinn des Ersten Weltkriegs zu erklären ist?

Gordian Mauggs Schwarz-Weiß-Drama "Fritz Lang" zeigt den berühmten Regisseur kokainschnupfend in der Schaffenskrise, vor allem aber bei der Recherche 1931 in Düsseldorf zu seinem ersten Tonfilm "M - eine Stadt sucht einen Mörder". Die Studie eines Besessenen über die drei Besessenen Lang (Heino Ferch), Kürten (Samuel Finzi) und Kriminalrat Ernst Gennat (Thomas Thieme). Denn auch Maugg ließ der Stoff nicht los: Zehn Jahre lang beschäftigte er sich mit Lang, wenn auch sicher nicht am Stück. Warum? Glaubte er, Gennats Vermutungen verifizieren zu können?

Maugg jedenfalls setzt "Fritz Lang" mit großer Montagekunst wie ein Puzzle zusammen. Einmal tritt Lang in eine grobkörnige Szene, die eindeutig historisch zu sein schien. Dann steigt er einen Wiesenhang hinauf, und plötzlich geht neben ihm der Mörder samt Opfer auf dem Rücken. Das Drama ist also einerseits eine Hommage an ein Genie, das jede Szene sofort in Kinobilder umzusetzen vermochte. Der Film profitiert dabei von Heino Ferchs alles durchdringendem Blick und einem grandiosen Samuel Finzi, der von seinen Taten mit grauenhaften Nüchternheit berichtet.

Andererseits entwickelt Maugg eine steile These: Lang habe womöglich seine erste Frau erschossen, als sie Zeugin seiner Affäre mit Thea von Harbou wurde, und deshalb den Frauen- und Kindermörder später als so Mitleid erregendes, gehetztes Opfer gezeigt. Der Film entlässt einen mit gemischten Gefühlen, trotzdem hat er eine besondere Qualität: Er geht einem tagelang nicht mehr aus dem Kopf.

© SZ vom 01.08.2016 / sum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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