Starnberg:Der Nil in der Schalterhalle

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Lichtobjekte und eine Performance mit Flussvideos zu Cello-Musik im See-Bahnhof

Von armin greune, Starnberg

Obskure Lichtobjekte, "Sonnenzeichnungen", Videos von Flussläufen und ein 24-stündiger Cello-Zyklus: Mit ungewöhnlichen Kunstwerken und einer ausgefallenen Performance wird im Rahmen der Ausstellungsserie "nah - fern" die Schalterhalle im Starnberger See-Bahnhof in den kommenden Wochen bespielt. Für die aktuelle Aktion "Lichtzeichen" steuern Christoph Nicolaus und Christian Wichmann Exponate bei.

Der Bildhauer Wichmann, der schon 1986 den Kulturpreis der Stadt Starnberg erhalten hat, entwickelt inzwischen vor allem Lichtobjekte für den Innen- und Außenraum, die aus Science-Fiction-Filmen der 1950er Jahre stammen könnten. Aus farbigen Leuchten und LEDs, Acrylrohren und mundgeblasenem Glas, Plexiglasstreifen, Gummischläuchen und Kabeln, Folien und Spiegeln, Besteckkörben und Spülschwämmen schafft Wichmann Lichtquellen, die "wie experimentelle Versuchsanordnungen, wie futuristische Steuerungskonsolen oder phantastische biomorphe Gebilde mit Tentakeln anmuten", fand der Kurator Stefan Graupner. Auch der Kronleuchter im Wartesaal aus buntem Acryl ist ein Werk Wichmanns.

Licht ist zwar auch für Christoph Nicolaus Werkzeug und das zentrale Thema seiner Arbeiten, doch Nicolaus hat einen ganz anderen künstlerischen Ansatz gefunden. Er fängt Sonnenstrahlen mit einer Lupe ein und brennt so freihändig gerade Linien ins Papier. Ein langwieriger Vorgang: Ein Blatt nimmt einen Tag im Anspruch. Diese "Sonnenzeichnungen" im stets gleichen Format unterscheiden sich aufgrund der Handbewegungen des Künstlers, des Sonnenstands und der Bewölkung. Mehr als 200 davon sind nun in der Schalterhalle auf einer großen Tafel vereinigt - ein Sinnbild für die Sonne, das Universum und das Vergehen der Zeit.

Der Faktor Zeit spielt auch im Kunstprojekt "garonne 24" eine entscheidende Rolle, das Nicolaus mit dem Komponisten Carlo Inderhees realisiert. Seit 1996 filmt Nicolaus Ausschnitte von Flussläufen: Begonnen hat er mit Isar und Donau, inzwischen hat er auch Videoaufzeichnungen vom Nil, Tigris, Missouri oder Yangzi angefertigt - von Brücken aus herangezoomt und stets in beiden Fließrichtungen. In der Videoplastik "garonne" sind die etwa 80 Minuten langen Sequenzen ohne Ton zu sehen. Im Starnberger Bahnhof lässt dazu der Cellist Marcus Kaiser die Stücke "Für sich (Violoncello) 1-24" von Inderhees erklingen: Jeweils 60-minütige Kompositionen, in denen leise Klänge und gleich lange Pausen jeweils Einheiten bilden.

Die Film- und Musiksequenzen werden täglich eine Stunde lang aufgeführt, zu einer stets um eine Stunde nach hinten verschobenen Uhrzeit: Am zweiten Tag, diesem Dienstag, von 1 bis 2 Uhr früh, am Mittwoch,22. April, von 2 bis 3 Uhr und so weiter bis zum 13.Mai, an dem die letzte Aufführung um 23 Uhr beginnt und um Mitternacht endet. Der Eintritt ist frei. Die Ausstellung kann außerdem noch bis zum 17.Mai an den Wochenenden besucht werden: Sie ist freitags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

© SZ vom 21.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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