Starnberg:Déjà-vu im Biotop

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WPS-Chef Günther Picker stellt erneut einen Antrag auf Änderung des Bebauungsplans für ein 2200 Quadratmeter großes Grundstück im Bereich Söckinger Berg. In den 1990er Jahren hatte er den ersten Versuch unternommen - und war gescheitert

Von Peter Haacke, Starnberg

Die grünen Zonen Starnbergs werden reduziert, selbst Grundstücke mit zusammenhängenden alten Baumbestände sind in der Kreisstadt nicht länger für eine Bebauung tabu. Insbesondere, seit die Baumschutzverordnung auf Initiative der WPS im Juli 2015 nach umstrittener Debatte abgeschafft wurde, scheinen die Uhren anders zu ticken. Problematisch kann die Angelegenheit aber werden, wenn ein Neubau in einem Landschaftsschutzgebiet oder Biotop errichtet und geschützter Grund abgezwackt werden soll.

Doch in Starnberg scheint man das zunehmend locker zu sehen. Der einstige Grundsatz "Verdichtung vor Baulandneuausweisung" gilt nicht mehr uneingeschränkt. Unlängst befasste sich der Bauausschuss mit einem Antrag von Günther Picker: Der WPS-Chef will eine rund 2200 Quadratmeter große Grünfläche in Privatbesitz in Bauland umwandeln. Obwohl das Vorhaben oberhalb der Stuckstraße entlang der Max-von Dziembowski-Straße bereits in den Vorjahren gescheitert war, beantragt Picker unter den aktuellen politischen Voraussetzungen jetzt ein weiteres Mal die Umwandlung des Areals am unteren Zipfel eines amtlich kartierten Biotops. Altgedienten Stadträten wie Gerd Weger (CSU) oder Walter Jann (BLS) muss die Angelegenheit in der Vorwoche wie ein Déjà-vu vorgekommen sein.

Auf dem Weg zum erstrebten Bau ist die Stadtverwaltung dem Antragsteller im Gegensatz zu früheren Jahren ein Stück entgegen gekommen. Allerdings formiert sich bereits auch erbitterter Widerstand: Der Bund Naturschutz etwa will nicht, dass das Areal am Söckinger Berg den "Verwertungswünschen des Eigentümers geopfert" wird und fordert Stadt und Stadtrat eindringlich auf, Grünzüge und Biotop "unter unantastbaren Schutz zu stellen". Entscheidend aber ist, wie die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Starnberg urteilen wird. Zudem soll auch das Staatliche Bauamt wegen der Zufahrt befragt werden: Die viel befahrene Straße am Söckinger Berg - bislang Staatsstraße - soll mit Fertigstellung der Westtangente 2018 zur Ortsstraße herabgestuft werden.

Schon vor 25 Jahren hatte es um das betreffende Grundstück eine anhaltende Auseinandersetzung gegeben. Rechtsanwalt und Honorarprofessor Picker ließ damals wenigstens elf Buchen fällen, obwohl der Bauausschuss nur die Fällung von vier Bäumen erlaubt hatte. "Stadtrat empört über Baumfrevel in Söcking", titelte 1991 die Starnberger SZ, zumal einige im Gremium mutmaßten, dass die Fällaktion - entgegen allen Vorschriften der damals geltenden Baumschutzverordnung - in Zusammenhang mit einer Bauvoranfrage vom Dezember 1990 stand. Der damalige Bürgermeister Heribert Thallmair erklärte 1993, dass wohl acht Buchen ohne Genehmigung gefällt worden, die angeordneten Ersatzpflanzungen aber überwiegend "total abgestorben" seien. Die Aktion hatte über Monate einen bürokratischen Streit entfacht, in den auch das Landratsamt involviert war. Picker argumentierte damals, der Buchenbestand auf seinem Grundstück sei "krank" gewesen, was der damalige Stadtgärtner Heinrich Ring vehement bestritt. Der Stadtrat forderte seinerzeit die Verhängung eines Bußgeldes und Ersatzpflanzungen. Picker indes verarbeitete seine Erfahrungen im 1995 veröffentlichten Büchlein "Baumfrevler", das seine Haltung und Denkweise gegenüber Rathausverwaltung, Landratsamt, Presse und Baumschutz auf charakteristische Weise dokumentiert: Die "Fallstudie im Dickicht der Verwaltung" zeichnet ein wahres Horrorbild der Vorgänge aus Pickers Sicht.

Das Bauvorhaben wurde bis heute nicht umgesetzt. Picker startete zwar 2009 einen weiteren Versuch, der aber abschlägig beschieden wurde. Und nun liegt erneut der Antrag auf Änderung des Bebauungsplans vor, obwohl sich die Grundstückssituation kaum geändert haben dürfte: Zum Einen gilt die Lage der Ein- und Ausfahrt aufs Areal im engen Bereich der Staatsstraße als problematisch. Zum Anderen ist das betreffende Grundstück Bestandteil des Biotops "Bachschlucht und Buchenwald an der Straße Starnberg - Söcking". Das Grundstück wurde nach Angaben Pickers im Dezember 2015 unter Nießbrauchsvorbehalt an seine beiden erwachsenen Söhne übertragen; der Neubau soll laut Antrag im "nord-östlichen baumlosen Bereich" entstehen. Unklar ist bislang, ob es sich dabei um jene Fläche handelt, auf der seinerzeit die beanstandeten Baumfällungen stattgefunden haben.

Pickers Antrag auf Änderung des Bebauungsplans ist vorerst zurückgestellt. Die Stadtverwaltung will nun prüfen lassen: Das Staatliche Bauamt, das 1993 eine Zufahrt zum Grundstück ausschließlich zur Bewirtschaftung erlaubte, soll klären, ob eine Zufahrt auch für wohnbauliche Zwecke von der Staatsstraße her genehmigungsfähig ist. Und die Untere Naturschutzbehörde soll prüfen, "ob und wie die Konflikte mit Belangen des Umwelt- und Naturschutzes sowie der Landschaftspflege bewältigbar sind". Beiden Behörden liegt bislang keine Anfrage der Stadt vor. Der Bauausschuss hat vor einer weiteren Entscheidung einen Ortstermin vereinbart, der am Donnerstag, 14. Juli, stattfinden wird. Picker darf für sein Anliegen mit Unterstützung von Bürgermeisterin Eva John sowie WPS, BMS, BLS und FDP rechnen, die "Allianz" verfügt im Bauausschuss derzeit noch über eine knappe Mehrheit. Die Entscheidung über eine Herausnahme des Grundstücks aus dem Landschaftsschutzgebiet fällt der Kreistag.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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