Wegfall der Milchquote:Das große Bangen

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Bis zu 800 000 Liter Milch jährlich liefern die größten Betriebe im Fünfseenland - da zählt jeder Cent, um den der Literpreis zurückgeht. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Landwirte im Fünfseenland sind verunsichert, weil am 1. April die Milchlieferquote wegfällt. Auch wenn dies seit einigen Jahren abzusehen war, ist der Markt derzeit von vielen Spekulationen geprägt.

Von Armin Greune, Starnberg

Viele Bauern blicken bange auf den 1. April: An diesem Tag fällt nach 30 Jahren die Milchquote weg. Auch die Landwirte im Fünfseenland sind verunsichert: "Keiner weiß, wo die Reise hingeht", sagt Georg Holzer, der mit 100 Kühen der größte Lieferant im Landkreis Starnberg ist und nun einen Preiseinbruch fürchten muss. Auch wenn er 2014 wie viele Kollegen Strafzölle für Überlieferung der Quote bezahlen musste, bedauert er ihre Abschaffung, weil damit die Milchmenge auf dem Markt eingeschränkt wurde. "Ich hoffe, dass sich auch künftig jeder Erzeuger ein bisschen bei der Anlieferung zurückhält", sagt Holzer, "doch es gibt auch sehr viele Spekulanten." Darauf deuteten die Preise auf dem Zuchtviehmarkt hin: Sie steigen, obwohl der Milchpreis bereits um drei bis vier Cent pro Liter zurückgegangen sei.

Im Vergleich zu seinem Namensvetter und Stellvertreter ist Kreisbauernobmann Georg Zankl relativ zuversichtlich: "Der Milchpreis wird nicht zusammenbrechen, aber vielleicht vorübergehend leicht sinken", glaubt der Gilchinger, der selbst keine Rinder hält. Schließlich sei der Wegfall der Quote seit Jahren bekannt, viele Kollegen hätten sich längst darauf eingestellt. In den letzten Jahren seien daher schon "sehr viele Ställe gebaut worden". Auf der anderen Seite hätten aber auch Milchbauern den Betrieb eingestellt oder sich auf andere Erwerbszweige verlagert, sagt Zankl.

Beim Amt für Landwirtschaft waren 2008 noch 171 Milcherzeuger im Landkreis Starnberg registriert: Bei der letzten Erhebung 2013 waren es nurmehr 127. Die Zahl der Kühe aber sei in diesen fünf Jahren relativ konstant geblieben und nahm von 5021 auf 4760 ab, berichtet Werner Philipp, Abteilungsleiter im Amt. Selbst der promovierte Agrarwissenschaftler traut sich keine Prognose zu, wohin die Entwicklung steuert: "Das ist so schwer zu analysieren, weil viele Faktoren mitspielen." Nachfrage und Preise hingen von der "relativ unsicheren Weltmarktlage" ab, auf der anderen Seite sei "die Herstellung von Milch sehr kostenintensiv". Ein Verfall der Preise könnte größere Erzeuger hart treffen, aber ihnen bliebe künftig die "Superquote", der Strafzoll, erspart. Auch wenn viele kleinere Betriebe zuletzt die Milchviehhaltung aufgaben, sieht Philipp für sie weiter Chancen, wenn sie vielseitig aufgestellt sind.

Beim Biolandwirt Michael Friedinger in Farchach etwa ist Milch nur einer von mehreren Produktionszweigen. Bereits 1990 hatte er zum Preis von 1,80 Mark pro Kilo Quoten zugekauft, seitdem habe er meist weniger Milch an die Molkerei Scheitz in Andechs geliefert, als er eigentlich dürfte. Dennoch plant er seit längerem, seinen Stall zu erweitern, um künftig 25 statt 20 Kühe zu halten. Diese Entscheidung hänge aber nicht mit dem Wegfall der Quote zusammen, sondern mit der Aufgabe von Ackerland, das nun als Viehweide dienen soll. Friedinger erwartet, "dass im Biosektor der Milchpreis von derzeit 48 Cent pro Liter nicht so rasch unter Druck gerät". Für die konventionell wirtschaftenden Kollegen ist er nicht so zuversichtlich: Er schätzt, dass deren Produktion - derzeit mit etwa 30 Cent pro Liter honoriert - bis 2017 um zehn Prozent steigen wird.

Holzer will sich jedenfalls "das kommende Milchwirtschaftsjahr in Ruhe anschauen", bis er auf die Entwicklung reagiert. Derzeit ist sein Familienbetrieb in Diemendorf ohnehin an seinen personellen Grenzen angelangt, weil sein Vater im vergangenen Jahr nach einem tragischen Unfall im Stall gestorben ist. Nachdem Holzer 2007 die Zahl der Kühe in seinem Betrieb verdoppelt hatte, erwarb er mehrmals Milchquoten an der Börse - zum Preis von drei bis 40 Cent pro Kilo. Auch diese Schwankungsbreite zeigt auf, wie sehr der Markt von Spekulationen geprägt ist. Langfristig aber hat Holzer keine Zweifel, dass die Landwirtschaft im Fünfseenland auch auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig bleibt, denn "unsere Produkte sind ja nur begrenzt transportfähig". Und während der Klimawandel vielen internationalen Konkurrenten zusetzt, dürfe man im Voralpenland weiter mit genug Niederschlag rechnen.

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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