Starnberg:Abschied ohne Pfarrer

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Die Gepflogenheiten bei Trauerfeiern und Bestattungen ändern sich. Die Rituale von Muslimen spielen zunehmend eine Rolle, aber auch ausgefallene Musikwünsche oder Billigangebote im Internet

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Im Zeitalter der Globalisierung verändern sich auch Bestattungsrituale, individuelle Wünsche nehmen zu. Ein Sarg in Pink oder aus altem, gebrauchten Holz, Urnen in Form einer Kuckucksuhr, eines Buches oder eines Fußballs werden allerdings selten gewünscht. Im Fünfseenland mag man es immer noch lieber traditionell, stellen die Bestatter fest.

Ob Natur-, Baum-, Flug- oder Seebestattung, anonyme Grabfelder, aufwendige Dekoration oder individuelle Musik: Es gibt viele Möglichkeiten, aber es können nicht alle Wünsche erfüllt werden, denn in Deutschland gibt es strikte Verordnungen, und in Bayern sind sie besonders streng. Urnen dürfen zum Beispiel nicht zu Hause aufbewahrt werden und das Verstreuen der Asche in der Natur ist verboten. Für manche Bestattungsformen müsse man daher ins Ausland, sagt Peter Kramer vom Bestattungsunternehmen Abschied in Gilching, beispielsweise für Fluss- oder Wiesenbestattungen in die Schweiz oder für Ballonbestattungen nach Frankreich.

Auch in seiner Branche spielt das Internet eine Rolle. Dort boome das Geschäft mit dem Tod, erzählt Kramer. Insbesondere Hinterbliebene, die sparen müssen, fallen nach seinen Beobachtungen auf Billiganbieter herein. Verstorbene würden dann mit einem Lastwagen abgeholt, und eine Trauerfeier gebe es nicht. "Das ist Entsorgungsmentalität", kritisiert Kramer. Das führe hinterher oft zu Problemen. Die regionalen Anbieter versuchten daher mit Angeboten wie etwa Ratenzahlungen gegenzusteuern.

Bei Muslimen müsse man besonders viele Kompromisse eingehen, sagt Markus Nowaschewski, Juniorchef im Starnberger Bestattungsunternehmen Zirngibl. Die erste Generation der Zuwanderer wurde meistens in der Heimat bestatten. Doch das kommt seltener vor, nicht zuletzt wegen der hohen Kosten für die Überführung. Insbesondere Flüchtlinge könnten sich das aber nicht leisten. Dann versuche man zumindest, Gräber mit Ausrichtung in Richtung Mekka auszuwählen, was allerdings nicht auf jeden Friedhof möglich ist. Um muslimische Rituale einzuhalten, hat Johann Böck von Ammerland-Bestattungen Verstorbene schon mit den Füßen zum Grabstein hin bestattet. Meistens jedoch übernehmen die Bestattungsunternehmer in der Region für ausländische Mitbürger nur die Behördengänge.

Auch unter Christen gibt es immer noch Tabus. Bei bestimmten Wünschen zeigen sich manche Pfarrer wenig kooperativ. Ein Orgelbauer hatte Böck gebeten, nach katholischem Ritus beerdigt zu werden, obwohl er evangelisch war. "Da waren die Kirchen stur", sagt Böck. Ammerland-Bestattungen richten Trauerfeiern vorwiegend in ländlichen Gegenden aus. Dort "bleibt es klassisch", ist Böcks Erfahrung. Auf den Dörfern überwiegen weiterhin Erdbestattungen, während in Ballungsgebieten der Trend zur Feuerbestattung gehe. Sonderwünsche gebe es im Landkreis meist bei Kleinigkeiten, etwa beim Blumenschmuck im bayerischen Weiß-Blau oder bei der Musik. Anstatt Schubert oder Mozart wird Andrea Bocelli, Elton John oder ganz aktuell Andreas Gabalier gewünscht.

Laut Nowaschewski wollen die Menschen zudem immer weniger von sich preisgeben. Zeitungsannoncen werden weniger, die Trauerfeiern finden meist im engsten Familienkreis statt. Stattdessen geht der Trend zu Erinnerungen wie Totenmasken oder Fußabdrücken bei kleinen Kindern. "Damit man etwas zum Anfassen hat", so Nowaschewski. Zudem nehmen freie Trauerfeiern zu, also ohne Pfarrer und nicht mehr in der Kirche. Und immer mehr ältere Menschen wollen ihre Angehörigen entlasten. Sie sorgen schon zu Lebzeiten vor und organisieren ihre Beerdigung selbst.

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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