Sport:Allein unter Männern

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Hoch soll sie heben: Bettina Krause im Kreise ihrer "Jungs", wie sie die Spieler der ersten Mannschaft des TSV Tutzing nennt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Bettina Krause ist Chefin der 350 Fußballer des TSV Tutzing - und die einzige Frau weit und breit in so einer Position. Erst hatte die Rechtsanwältin keine Ahnung von dem Sport, nun macht sie den Trainerschein. Und die erste Mannschaft hat den Aufstieg gepackt.

Von Otto Fritscher, Tutzing

Auf dem Schreibtisch von Bettina Krause sieht es sehr aufgeräumt aus, in den Regalen stehen Bücher mit Gesetzestexten. Kein Schal des FC Bayern oder eines anderen Fußballclubs hängt locker über einem Stuhl, kein Bild einer Mannschaft oder eines Profis an der Wand. Und doch: Fußball ist ihr Leben, möchte man fast meinen, denn zumindest nimmt dieser Sport viel Zeit in Anspruch. Beim TSV Tutzing ist die Rechtsanwältin nämlich so etwas wie die Allzweckwaffe der Fußballabteilung: Chefin, Spielerin, Trainerin - doch davon später mehr. Vor einem Jahr hat Krause die Leitung der Fußballabteilung übernommen; von den 350 Mitgliedern sind weniger als 20 Frauen. Krause ist die einzige Fußball-Abteilungsleiterin in weiterem Umkreis. "Ich bin eine Exotin, die nächste ist meines Wissens in Inzell."

Krause sprang in die Bresche, als die Dinge nicht zum Besten standen und die erste Mannschaft gerade abgestiegen war. "Nein, keiner hat mich blöd angeredet oder schief angeschaut", sagt Bettina Krause. Ihr Rezept war sozusagen die Vorwärtsverteidigung. "Ich hab' von Anfang an allen gesagt, dass ich von Fußball keine Ahnung habe", sagt die 49-Jährige. "Aber ich kann bestimmt ein bisschen Struktur reinbringen." Diesen Ausdruck verwendet Krause gerne. Und sie beließ es nicht bei der Ankündigung, sie hat in der Fußballabteilung tatsächlich das Heft in die Hand genommen. Den Kontakt zur Gemeinde herstellen, den Trainerstab koordinieren - immerhin sind das mehr als zwei Dutzend Männer, allerdings keine Frau -, Termin- und Spielpläne erstellen, sich um die Finanzen kümmern, die Datenschutzgrundverordnung - alles wichtige Dinge. "Aber in sportliche Belange habe ich mich nie eingemischt", sagt Krause.

Schuld an ihrem Engagement für den Fußball ist eigentlich ihr Sohn. Als Dreijähriger hat er zum ersten Mal Stadionluft geschnuppert, als Mama ihn zum Training gebracht hatte. "Er sah so süß aus," erinnert sich Krause. Die Hose hing ihrem Sohn fast auf den Boden herunter, und die Fußballschuhe hatte die Mama mit Watte ausgefüllt. "Es waren keine Schuhe in der Größe 18 zu bekommen, und so habe ich die größeren halt ausgestopft", lacht Krause.

Beim Training stand sie zusammen mit anderen Müttern herum und langweilte sich ein bisschen. "Wollen wir nicht selbst Fußball spielen?", fragte sie die anderen Mütter, und in der Tat entstand so eine Hobbymannschaft, die sich aber auch mal an einem Turnier beteiligt. Auch trainiert wird immer noch regelmäßig. Krause spielt im Sturm. "Aber Elfmeter schieße ich nicht gerne", sagt sie.

Überhaupt sind die Krauses offenbar eine recht sportliche Familie. Ihr Mann hat sich allerdings nach dem Fußball mehr dem Segeln zugewandt; auch den elfjährigen Sohn zieht es vom Rasen gelegentlich aufs Wasser. Die Töchter sind 17 und 13, die jüngere hat eine Zeit lang auch Fußball gespielt in der Mannschaft, die älteste nicht: Sie bevorzugte Rugby. Alle Kinder segeln, der Sohn und die jüngere Tochter bestreiten Optimist-Regatten und nehmen dieses Jahr an der Deutschen Meisterschaft teil. Bettina Krause selbst spielt noch Tennis.

Beruflich hat sich die Rechtsanwältin auf den Bereich "Marken- und Titelschutz" spezialisiert. Das klingt für Laien ziemlich trocken. Der Job ist es aber nicht. Krause arbeitet vor allem für öffentlich-rechtliche TV- und Rundfunksender. Da war etwa ein spanischer Software-Entwickler, der eine App im Design eines Rundfunksenders programmiert hatte. Neben einigen Schnipseln aus dem laufenden Programm hatte er vor allem eines eingebaut: viel Werbung. Auch beliebte Sendungen sind ein Ziel von Marken-Piraten.

Zurzeit macht Bettina Krause den C-Trainer-Schein. Damit kann sie Breitensport-Teams trainieren. "Eigentlich hatte ich das gar nicht vor", sagt sie und grinst. "Es hat sich irgendwie ergeben." Immerhin hat der TSV Tutzing fast ein Dutzend Mannschaften, Kinder, Jugendliche und Erwachsene zusammengerechnet. Die "Erste" hat in der kürzlich zu Ende gegangenen Saison den Aufstieg in die A-Klasse geschafft. "Toll, mit welchem Engagement und Zusammenhalt die Jungs die ganze Saison über trainiert und gespielt haben", sagt Krause. Auch die Organisation habe gut geklappt. Als Belohnung haben sich die meisten TSV-Kicker einen gemeinsamen fünftägigen Urlaub auf Mallorca gegönnt. Jetzt steht erst mal die Weltmeisterschaft an. "Da werden wir schon zusammen mit Nachbarn, Spielerinnen und Spielern das eine oder andere Spiel anschauen", sagt Krause. Kaum ist der Sohn zuhause, wird nämlich schon mal mit den Nachbarjungs gekickt. So ist eine große Fußball-Familie entstanden, könnte man sagen.

Und wie in einer richtigen Familie gibt es auch Drecksarbeit im Sinne des Wortes zu erledigen. Zum Beispiel nach dem Training oder Spiel die Trikots waschen, oder den Fahrdienst für eine der Nachwuchs-Mannschaften übernehmen, vorzugsweise am Wochenende natürlich. Alles kein Problem beim TSV Tutzing. Krause freut sich darüber, "dass wir ein tolles Miteinander auch zwischen den ersten und zweiten Herren einerseits und der Jugendabteilung andererseits erleben." Leider gebe es zurzeit keine Frauenmannschaft, "weil wir zu wenige sind". Einzelne Mädchen spielen bei den Jungs. Nun noch die unvermeidliche Frage an Bettina Krause, die Spielerin, Trainerin und Abteilungsleiterin: Wer wird Weltmeister? Schaffen Jogis Jungs die Titelverteidigung? Krause wiegt den Kopf und sagt dann: "Das wird schwer. Ich glaube nicht wirklich, dass sie es schaffen."

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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