Serie über Schlösser und Parks im Landkreis Starnberg:Refugium der Stille

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Einst diente der Starnberger Schlossgarten im 16. Jahrhundert als Treffpunkt ausgiebiger Feste unter Herzog Albrecht V. Heute ist das von einer Mauer umgebene Areal ein romantischer Ort für Träumer, Verliebte und Brautpaare

Von Sabine Bader, Starnberg

Er ist der Ort der Orte: der Starnberger Schlossgarten zwischen der Kirche St. Joseph und dem Schloss. Wer ihn betritt, der ist in einer eigenen, einer verwunschenen Welt. In einem abgegrenzten Reich. Man wünscht sich unweigerlich, einmal eine ganze Nacht lang hier oben eingesperrt zu sein, um den kleinen Park und seine Stille auch mal ganz allein zu erleben. Denn obwohl der Ort abgeschieden ist, ein paar Besucher trifft man hier meist. Allerdings haben auch viele Starnberger den Garten noch nie betreten, wissen praktisch nichts über ihn.

Dabei ist seine Historie ebenso wechselvoll wie spannend. Schon im 16. Jahrhundert hatte man die Mauer angelegt, die den Schlossgarten umgibt. Bereits sie deutet auf die Zeit der Renaissance hin. Dort, wo heute die Kirche St. Josef steht, stand zu jener Zeit noch das Tanz- und Gästehaus des Schlosses, das wahrscheinlich in der Regierungszeit Herzogs Albrechts V. gebaut wurde. Ein wichtiges Gebäude, denn große Feste mit Tanz bis in den Morgen waren keine Seltenheit. Es wurde ausgiebig gefeiert im Schloss zu jener Zeit. Der noch immer existente Wasserturm an der Nordseite der Mauer speiste nicht nur die Wasserspiele im Garten, sondern versorgte auch das Schloss mit Wasser. Dazu hatte man das Wasser aus den sieben Quellen mittels einer Holzleitung über ein Mühlrad im Georgenbach nach oben gepumpt. Das klingt kompliziert und anfällig für Störungen. War es sicher. Jetzt ist auch klar, warum es einen eigenen Brunnenwart gab, der sein Häuschen an der nördlichen Mauerseite hatte, weiß Stadtarchivar Wolfgang Pusch. Er gehört zu den Fans des Schlossgartens. "Ich schätze an ihm ganz besonders die Abgeschiedenheit, die Ruhe und den weiten Blick vom Turm aus über den See", sagt Pusch.

Heute ist der Wasserturm nicht mehr in Betrieb. Die Stadtgärtner lagern ihre Gerätschaften darin. Und für die Pflege des Schlossgartens braucht man davon eine ganze Menge. Auch wenn es ein wenig so wirkte, als dürften Apfel- und Birnbäume, Büsche, Blumen und Kräuter so wachsen, wie es ihnen beliebt. Doch der Schein trügt. Für die Gartenpflege verwenden die Gärtner ein gehörige Menge Zeit. Nur eben schneiden sie nicht jeden Busch zu einer Kugel oder Statuette. Es soll natürlich wirken, unaufgesetzt. Und das tut es auch. Wer sich mit Renaissance-Gärten auskennt, der weiß, dass sie sich nördlich der Alpen dadurch auszeichnen, dass sie mit Mauerwerk versehen und streng symmetrisch bepflanzt sind. In ihrer Mitte plätschert meist ein Wasserspiel und ein mit Rosen bepflanzter Laubengang lädt zum flanieren ein.

Im frühen 18. Jahrhundert wurde der Schlossgarten dann aufgelassen und verwilderte schnell. Das Lustwandeln hatte an Bedeutung verloren. Hundert Jahre später nutzen die Schlossbewohner die ummauerte Anlage dann zur Ernährung und baute darin Obst und Gemüse an. Im Jahre 1980 pachtete die Stadt Starnberg den Schlossgarten vom Finanzministerium und ließ den Garten wieder nach historischem Vorbild herrichten. Heute werden seine die Tore täglich morgens auf- und abends wieder zugesperrt.

Wer sich im Schlossgarten ein halbes Stündchen Ruhe gönnt - etwa um mittags über der Stadt Brotzeit zu machen und auf einer der Bänke oder auf dem Turm Platz nimmt - der wird unweigerlich hineinversetzt in die Zeit, in der noch die Kurfürsten auf dem Schlossberg regierten. Herzog Albrecht V. muss beispielsweise einen recht fröhlichen Lebensstil gepflegt haben. Es gab der Überlieferung nach unzählige Feste, Spiel, Turniere, Musik und Tanz. Er soll sogar eine Löwin als Haustier gehalten haben und seine Kinder neben der üblichen Hunde und Katzen auch Affen. Der erste Kartograf Bayerns, Philipp Apian, bezeichnete das Starnberger Schloss um 1560 in seiner "Topographia Bavariae" sogar als das Schönste in ganz Oberbayern. Pusch bedauert, dass man 1969 das Amtsgerichtsgebäude am Schloss abgebrochen hat, das auf alten Stichen noch wunderbar zu sehen ist. "Das ist wirklich schade", sagt er. Kein Wunder, dass Wolfgang Pusch dies so bedauert, schließlich hat er das Interesse am Historischen quasi im Blut. Bereits in seiner Studentenzeit half er in Starnberg bei Archivarbeiten aus, angefangen als Archivar bei der Stadt hat er dann 1990.

Dass heute ausgerechnet das Finanzamt im Schloss untergebracht ist, veranlasst etliche Bürger im Fünfseenland zu der Aussage, "das passt - die modernen Raubritter". Mehrfach haben Starnberger Politiker mit den Finanzbehörden nach einer Lösung gesucht, den Starnbergern das Schloss wieder zugänglich zu machen und für das Amt eine neue Bleibe zu finden. Schließlich würde ein moderner Zweckbau auch den Mitarbeitern mehr besser gefallen als das alte Gemäuer. Eine Lösung in der Schlossfrage, die allen Seiten gerecht wird, hat man bisher allerdings nicht gefunden.

Doch zurück in den Garten. Nicht nur der Blick nach Osten auf das Schloss und nach Süden zum See zeichnet das Ambiente aus. Wer gen Westen schaut, der erblickt die Josefskirche. Und das hat seinen ganz besonderen Reiz. Wie gesagt, dort wo heute die Kirche steht, stand das herzögliche Tanz- und Sommerhaus. Als es abgebrochen wurde, baute Max III. Josef 1766 die dritte Kirche in der Stadt und zwar im Stil des ausgehenden Rokokos. Er verwendete dazu die Steine des Sommerhauses. Und der bedeutende Bildhauer Ignaz Günther begann noch im selben Jahr, den Hochaltar zu schaffen. Wer mit dem Auto von München aus nach Starnberg fährt, der erfreut sich immer wieder an den beiden Wahrzeichen der Stadt - Kirche und Schloss. Besonders nachts, wenn sie beleuchtet sind.

Dass der Schlossgarten heute wieder für allerlei Veranstaltungen genutzt wird, freut Pusch. Er findet, dass sich die Anlage vortrefflich für Skulpturen-Ausstellungen und Veranstaltungen, wie zum Beispiel das Mittelalterfest eignet. Auch Theater und Konzertabende gab es hier schon. Ja, und dann können sich Heiratswillige auch im Schlossgarten das Ja-Wort geben. Die Anlage zählt zu den offiziellen Trauorten in der Stadt - und wird nach Auskunft der Stadt auch rege genutzt. Was gibt es Schöneres, als in diesem Ambiente zu heiraten. Vorausgesetzt natürlich, das Wetter spielt mit.

© SZ vom 24.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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