Seeshaupt:Selbstexperimente und Sinnsuche

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Bildhauer Max Wagner präsentiert eine Auswahl seiner Werke in der Seeshaupter Seeresidenz

Von Katja Sebald, Seeshaupt

Überall diese verschlüsselten Botschaften. Über Nacht sind sie aufgetaucht: An Wänden, auf Bildtafeln, gedruckt, gezeichnet, aus Ton geformt, aus Blech geschnitten und in Bronze gegossen. Auf Sockeln, Schalen, Kugeln, Figuren und Tieren. Es sind Nachrichten und geheime Liebesbriefe, kleine Erinnerungsfragmente und wundersame Hirngespinste. Die Bewohner der Seniorenresidenz "Alte Post" in Seeshaupt wissen diese Botschaften sehr wohl zu deuten: Schon bleiben sie plaudernd in den Gängen stehen, hier und da könnte man durchaus meinen, sie flirten miteinander. Und gleich im Foyer ist eine Büste des Künstlers selbst zu sehen: Er trägt eine Narrenkappe, seine Freude über die gelungene Eulenspiegelei unverkennbar. Noch bis Mitte Juli zeigt der Starnberger Bildhauer Max Wagner in Seeshaupt eine Auswahl seiner Plastiken und Bilder.

Überregionale Bekanntheit erlangte Wagner mit Arbeiten wie dem Denkmal für Oskar Maria Graf in Aufkirchen und der lebensgroßen Figur des "Spaziergängers" Sigi Sommer in Münchens Fußgängerzone. Tatsächlich hat er sich vor allem als Porträtist einen Namen gemacht: Für die Ruhmeshalle an der Bavaria entwarf er einige Büsten berühmter Persönlichkeiten, unter anderem die von Bert Brecht und Carl Orff. 1956 in Straubing geboren, absolvierte Wagner an der Münchner Akademie eine klassische Bildhauer-Ausbildung. Seit Mitte der 1980er Jahre lebt er in Starnberg, wo er mit seinen Arbeiten ebenfalls im öffentlichen Raum präsent ist. 2004 wurde er mit dem Kulturpreis des Landkreises Starnberg ausgezeichnet.

Schriftzeichen sind aber nun das verbindende Element in der Seeshaupter Ausstellung. Wenn sie als "piccola lettera d'amore", als kleiner Liebesbrief, auftauchen, muss man sie einfach nur rückwärts lesen, um der Liebsten auf die Spur zu kommen. Etwas schwieriger wird es bei der über und über mit plastisch geformten Buchstaben bedeckten Kugel aus Keramik, ganz und gar unmöglich ist es bei den "writing figures", die mehr Figurenansammlung als Schrift sind. Ebenso gibt es sprechende Köpfe, Kopfgeburten und ein Vogelpalaver, mit kryptischen Zeichen überzogene "Votivbilder" sowie Mannfrauen und Frauenmänner, die sich - halb Schrift, halb Figur - in einer geheimen Symbolsprache ihre Nachrichten übermitteln oder gleich Buchstabenküsse austauschen. Zwischenwesen sind auch die beiden Figuren, die miteinander zu einem Haus verschmelzen, oder das Paar, das auf seiner "Langen Reise" eins geworden ist mit dem Boot, in dem es sitzt. Nicht zufällig erinnern Köpfe und Körperformen in diesen zwei- und dreidimensionalen Bildwerken an sogenannte primitive Kunst: Seit vielen Jahren wird Wagner vor allem von der Ausdruckskraft afrikanischer Masken und Plastiken inspiriert. Man könnte aber hier durchaus auch an ägyptische Kunst oder an Hieroglyphen und andere Bilderschriften denken.

Die Ausstellung hat keinen eigentlichen Titel. Wagner hat sie vielmehr mit einem Satz überschrieben: "Im Grunde genommen ist die tägliche Arbeit im Atelier eine permanente Suche nach der eigenen Identität." Hinweise auf diese Suche finden sich hier und da auf den Bildtafeln. Auch die Kopfbüste "selfexperiment /beeing there" in dieser sorgfältig arrangierten Ausstellung dürfte programmatisch zu verstehen sein. Subtiler Hinweis auf Selbstexperiment und Sinnsuche könnte auch die darin eingebaute Schublade mit einer Art "herausnehmbaren Herz" sein. Gleich nebenan findet der Besucher eine Ansammlung kleinformatiger rundum runder Bronzedamen, die sich nackt in der Nachmittagssonne des Foyers räkeln: Rund und drall sind Brüste, Bäuche, Pobacken und Schenkel, aber auch Haarknoten. Zwei der kugeligen Damen tragen den verheißungsvollen Titel "Handschmeichler".

Die "Venus von Söcking" hingegen tänzelt mit erstaunlicher Eleganz auf ihrem Sockel, eine Badende lässt sich ebenso wenig von Blicken der Besucher stören wie die liegende und die sitzende Sonnenanbeterin. Mehr als einen Blick sind auch die abstrakten Anordnungen von Formen, Linien, Wülsten, Einschnitten und Ausbuchtungen wert, die auf kleinen Keramik-Reliefs zu sehen sind.

Die Max-Wagner-Ausstellung ist bis 13. Juli in der "Seeresidenz" in Seeshaupt zu sehen.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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