Rehkitze:Qualvoller Tod im hohen Gras

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In Gefahr: Rehkitze, die sich in Wiesen verstecken und von Landmaschinen tödlich verletzt werden. (Foto: Patrick Seeger/dpa)

Kommt das Mähmesser, ducken sie sich und bleiben liegen: Hunderttausend Rehkitze werden jedes Jahr durch Maschinen getötet oder verstümmelt. Im Landkreis Starnberg wurde in der vergangenen Woche ein trauriger Rekord registriert.

Von Armin Greune, Berg

Der Trend ist wohl die grausigste Folge einer durchindustrialisierten Landwirtschaft: Immer mehr Wildtiere bleiben bei der Futtermahd auf der Strecke. Einen traurigen Rekord hat nun Anton Fichtlmeier, Jagdpächter in der Gemeinde Berg, registriert: 13 verstümmelte oder verendete Kitze sind ihm in den vergangenen Wochen gemeldet worden, zwei Mal musste er sie daraufhin selbst von ihrem Leid erlösen. Selbst wenn man weiß, dass jährlich in Deutschland schätzungsweise 100 000 Kitze in die Messer der Erntemaschinen geraten, sind 13 gefundene Kitze für ein Revier erschreckend. Denn viele getötete Tiere werden gar nicht gleich bemerkt.

"Die Dunkelziffer ist hoch, aber heuer ist es ganz extrem, weil die Rehe relativ spät gesetzt haben", sagt Fichtlmeier, der 1200 Hektar Wald und Wiesen zur Jagd gepachtet hat. Dazu kommt, dass nach der anhaltende Frühjahrsnässe die Bauern unter Zeitdruck mit der Mahd geraten sind. Laut Naturschutzrecht sind sie verpflichtet, mit den Jägern Vorkehrungen zu treffen, um das Wild beim Heuschnitt zu schonen. In der Praxis aber sei es für die oft berufstätigen Waidmänner schwierig, kurzfristig als Wildscheuche bereit zu stehen, weiß Hartwig Görtler, Kreisvorsitzender der Jäger. Ihn selbst hatte ein Landwirt vergangene Woche alarmiert, weil er am nächsten Tag mähen wollte. Aber das Wetter machte einen Strich durch die Rechnung und Görtlers Einsatz war nutzlos, weil der Schnitt bis Sonntag verschoben werden musste.

Grausamer Tod von Rehen in Berg
:Jäger fordert mehr Umsicht von den Bauern

Werden die Wiesen gemäht, sterben immer wieder Kitze und Jungrehe, die sich im hohen Gras verstecken. Der Jäger Markus Müller fordert von den Bauern mehr Umsicht, nachdem mehrere Tiere kläglich verendeten.

Von Janis Altherr

Tödliche Strategie

Doch selbst eine Besichtigung der Felder direkt vor der Mahd verspricht nicht immer Erfolg, sagt Kreisbauernobmann Georg Zankl: "Man findet die Kitze oft nicht mal, wenn man in Reihen mit zwei Meter Abstand durchgeht." In den ersten Lebenswochen sind sie auch für Hunde nicht zu wittern. Sie drücken sich instinktiv zu Boden, wenn ein Feind kommt - diese Strategie endet bei der Mahd meist tödlich.

Zwar fehlen offizielle Statistiken, doch die Zahl der Tiere, die so verenden, wächst wohl immer weiter. Denn um konkurrenzfähig zu bleiben, haben die Landwirte ihre Maschinen aufgerüstet: Mit 30 Stundenkilometern und bis zu 14 Meter langen Balken können sie Wiesen nun in einer Stunde mähen, für die sie früher einen Tag brauchten.

"Die Kitze schreien herzzerreißend"

Aber selbst für die mit der Schicksalhaftigkeit der Natur vertrauten Bauern ist es ein Schock, wenn sie nach der Mahd ein verstümmeltes Tier finden: Als er auch noch Grünland bewirtschaftete, war Zankl mit dieser Situation konfrontiert: "Die Kitze leiden furchtbare Schmerzen und schreien herzzerreißend." Zudem kann mit Körperteilen oder Tierleichen verunreinigtes Futter bei Rindern lebensbedrohende Vergiftungen hervorrufen.

Schon seit vielen Jahren werden daher Methoden erprobt, um Ricken und Kitze aus dem hohen Gras fernzuhalten. Auch Görtler hat "schon verschiedene Geräte durchgetestet". Ein simpler blauer Sack als Fahne verliere schon nach zwei Tagen die abschreckende Wirkung. Effektiver sei ein nicht allzu teurer Signalgeber mit Blink- und Pfeiftönen. Die Hightech-Lösung mit Wärmebildkamera und Drohne für mehr als 1000 Euro ist für ihn nur "ein schönes Feigenblatt", so lange es im flächendeckenden Einsatz keine finanziellen Anreize für Bauern oder Jäger gebe. Den Rehbestand beeinflusse der hohe Verlust an Kitzen nicht, meint Görtler: "Spätestens bis zum Herbst gleicht sich das wieder aus". Doch Fichtlmeier fürchtet, seinen festgelegten Abschuss nicht mehr erfüllen zu können.

© SZ vom 04.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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