Musik:Im Sog der Euphorie

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Das Festkonzert der 18. Starnberger Musiktage mit den "Flying Strings" und den Dozenten der Osterkurse unter Leitung von Benjamin Lack in der Starnberger Schlossberghalle begeistert die Zuhörer

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Das alljährliche Festkonzert der Starnberger Musiktage hat schon eine besondere Tradition. Nicht nur, weil es jedes Mal hervorragend besetzt ist und mit großem Aufgebot über die Bühne der fast ausverkauften Schlossberghalle geht. Besonders ist vielmehr die Intensität, mit der die Musiker dabei in die Materie eintauchen. Was gewiss damit zusammenhängt, dass Dozenten und Studenten einige Tage mit höchstem Engagement in den Meisterkursen daran gearbeitet haben und nun sozusagen in voller Fahrt ihre Zuhörer in den Sog der Euphorie mitrissen. Nicht etwa mit leerer Virtuosität und Kraftprotzerei. Ganz im Gegenteil: Es ging mit Einfühlsamkeit und Fingerspitzengefühl um Musikalität.

Besonders spürbar im Einsatz der Flying Strings, des "Musiktage Chamber Orchestra" (MCO), das Benjamin Lack großartig vorbereitet hatte und nun sich am Pult offenbar vornahm, mit höchster Präzision und Gesteneffektivität eine weitere Steigerung heraus zu kitzeln. Die Verständigung mit Schülern und Studenten gereichte nicht nur zu wohltuender Klanghomogenität, sondern auch zu reich differenzierender Wendigkeit in der plastischen Gestaltung. Damit war es Lack möglich, mit dem MCO musikalische durch drei Jahrhunderte zu wandern und dabei stets den jeweiligen Zeitgeist treffsicher zu erfassen.

Mit höchstem Engagement hatten sich Dozenten und Studenten in den Meisterkursen auf das Festkonzert der Starnberger Musiktage vorbereitet. Unter Leitung von Benjamin Lack durchwanderte das "Musiktage Chamber Orchestra" musikalisch drei Jahrhunderte und erfasste dabei stets den jeweiligen Zeitgeist. (Foto: Arlet Ulfers)

Üppiger hätte das musikalische Mahl wohl kaum ausfallen können, zumal die Dozenten der Osterkurse als Solisten hier in gewisser Weise in der Bringschuld waren: Sie demonstrierten vor ihren Schülern, zu welchen Höchstleistungen ihre didaktischen Ansätze führen - dies mit sehr unterschiedlicher Materie, wobei die instrumentale Zusammensetzung schon ein paar Raritäten auf den Plan rief. So gleich zu Beginn mit einer Suite für Violine und Viola des Schweden Kurt Atterberg, der mit nordischer Wehmut und Melancholie darin nicht sparte. Rudens Turku und Viola Roland Glassl (Viola) nutzten die Gelegenheit, mit warmem, sattem Klang zu betören, aber auch mit lustvoller Tanzseligkeit im Schlusssatz. Letzteres fand sich auch im "Duettino hongrois" op. 36 von Franz Doppler, in dem Turku und András Adorján (Flöte) mit viel Rubato, ja überhaupt weitgehend freier Gestaltung die Flexibilität der Flying Strings auf die Probe stellten. Ob Wehmut und Temperament im ungarischen Stil oder mit wienerischem Schmiss: Alles kam aus einem Guss. Ähnlich ging es weiter im "Gruß an Ungarn" op. 407 von Wilhelm Popp, der darin mit feinsinnigen Stimmungen und überraschenden Wendungen spielte. Beste Voraussetzungen für Adorján, seinem ungarischen Temperament Lauf zu lassen.

Am intensivsten vermochte Cellist Wen-Sinn-Yang das Orchester für sich zu gewinnen: Das Konzert h-Moll op. 5 des russischen Komponisten Karl Dawidow, das mit berührendem, melodischem Gesang begann und sich zu tänzerischer Beschwingtheit entwickelte, geriet zum Meisterstück lustvollen Musizierens, zumal Yangs Solopart auch brillante Virtuosität einschloss. Sinnenfreudigeres Material boten naturgemäß die barocken Komponisten, in deren Werken Lack vom Cembalo aus dirigierte.

Georg Philipp Telemanns Hornkonzert D-Dur mit Solistin Sibylle Mahni verlangte eine breite Skala spieltechnischer Finessen. Der spritzige Staccato-Kopfsatz fand im lyrisch-beschwingtem Largo-Tanz eine klangschöne Antwort, um mit tänzerisch beschwingter Leichtigkeit mitzureißen. Telemanns Taufpatte Carl Philipp Emanuel Bach hinterließ vom Übergang zur Klassik ein Konzert für Flöte d-Moll, die Stephanie Winker mit einem reichhaltigen Ausdrucksspektrum innerhalb weit gezogener Spannungsbögen ins Spiel brachte. Ein gewisser galanter Impetus fehlte darin nicht, den auch Wolfgang Amadeus Mozart gerne aufgriff. Dessen Sinfonia concertante Es-Dur KV 297b hatte aber mit vier Solisten viel weitreichendere Absichten.

Mit diesem Werk im Konzertfinale war Euphorie im Schlussapplaus gesichert. Neben Mahni am Horn tauchten Kai Frömbgen (Oboe), Johannes Gmeinder (Klarinette) und Malte Refardt (Fagott) ins stimmig fließende Geflecht der mäandernden Linien ein. Das Orchester, nun mit Bläsern ausgestattet, fügte sich geschmeidig in dieses reich changierende Klangpanorama ein, mal um den großartigen Bläsersolisten als behutsame Unterlage zu dienen, mal um im Kontrast auf die kammermusikalische Feinsinnigkeit mit gleichwertiger Präzision und Sicherheit orchestral zu antworten. Stimmig bis zum letzten Ton.

© SZ vom 05.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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