Lesen:Starke Frauen

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Der Literarische Herbst begibt sich ins Treibhaus, auf die Kegelbahn und in die Dunkelkammer, um Hermann Hesses erste Ehefrau Maria Bernoulli und die DADA-Mitgründerin Emmy Ball-Hennings zu porträtieren

Von Gerhard Summer, Starnberg

Wenn die Literatur und die Musik die Nase voll haben von feinen Theatern und braven Kneipen, treiben sie sich schon mal an Orten herum, wo sie kaum einer vermutet: in der historischen Kegelbahn von Maising und im alten Palmenhaus der Villa Waldberta, im Getreidespeicher des ehemaligen Gestüts Isarland und im verwunschenen Gasthaus Obermühltal. Der Literarische Herbst 2016 macht es möglich: Seine Erfinder Elisabeth Carr und Gerd Holzheimer haben sich wieder auf die Suche nach möglichst abseitigen Schauplätzen gemacht und sind sieben Mal fündig geworden.

In den meisten Fällen bringen sie die Kultur damit an den Rand der Möglichkeiten, und zuweilen passt das wirklich haargenau: Wo beispielsweise könnte man die Fotografin Maria Bernoulli, die erste Frau Hermann Hesses, besser porträtieren als in der Dunkelkammer eines Künstlers? Noch dazu, wenn mit Minouche Bernoulli eine Nachfahrin der Gelehrtenfamilie antritt, aus Briefen liest und Fotos und Filmausschnitte zeigt. Dunkelkammer hat in diesem Fall auch noch eine zweite Bedeutung, irrlichtert doch Bernoulli als Geisteskranke durch die Literaturgeschichte.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Gasthaus Obermühltal ist eines der Schauplätze, den sich Elisabeth Carr, Gerd Holzheimer und Barbara Beck (v. re.) für den Literarischen Herbst 2016 auserkoren haben.

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(Foto: oh)

Die Künstlerin Alinde Rothenfußer hat den Lagerraum von Gut Isarland in eine Galerie verwandelt - der Literarische Herbst macht auch hier Station.

Der Nachmittag im Atelier von Andreas Rumland an der Possenhofenerstraße 24 in Starnberg (22. Oktober, 15 Uhr) mag der Idealfall sei, wenn Koinzidenz das Maß der Dinge sein sollte. Aber Carr und Holzheimer gehen auch assoziativ vor. Das verlassene, seit Ende 2009 leer stehende Gasthaus Obermühltal beispielsweise gibt die Bühne für Jazz und Geschichten von Herbert Rosendorfer und August Kühn ab. Sinnigerweise heißt der Abend in der einstigen Ausflugsgaststätte mit dem Geiger Max Grosch und der Schauspielerin Judith Huber "Die Sehnsucht nach dem Ausflug" (Samstag 8. Oktober, 15 Uhr). Und worum geht es in der Kegelbahn des Gasthauses Georg Ludwig? Ums Bayrische an sich, um uneheliche Kinder (Kegel) und um Texte von Ludwig Thoma, Ludwig Ganghofer und Oskar Maria Graf, gelesen vom Schauspieler und Rundfunksprecher Peter Weiß, der übrigens der Bruder von Elisabeth Carr ist (Samstag, 1. Oktober, 15 Uhr).

Starke Frauen, düstere männliche Gestalten, viel Geschichte, viel Licht und viel Dunkelheit - all das kommt in diesem Literarischen Herbst vor. Einmal geht es auch um den mehr oder minder harmonischen Paarlauf: Ein Musiker und eine Schauspielerin, Laura Maire und Johannes Öllinger, geben sich vor dem Standesamt in Unterbrunn das Ja-Wort, dazu gibt's Gedichte von Rilke bis Brecht und Hochzeitserzählungen von Lena Christ und Marieluise Fleißer (Sonntag, 18. September, 11 Uhr, Pfarrhof an der Kirchstraße 15). An dem Vormittag beim "Orplid im Isarland" wird die wohl größte Strecke dieses Kunst-Herbstes durchmessen: von tiefbraunen Niederungen ins Land des Blauen Reiters. Das einstige Gestüt war für Christian Weber erbaut worden, einen Pferdeknecht, der zu einem der mächtigsten Münchner NSDAP-Funktionäre aufstieg und in den Dreißigerjahren Frauen mit blankem Busen auf rassigen Pferden durch Starnbergs Hauptstraße reiten ließ, wie Carr sagte. Die Kulturmanagerin und Holzheimer wollen "Zucht" und "Züchtung" thematisieren, zugleich zeigen, wie sehr die Künstlerin Alinde Rothenfußer diesen vormals düstern Ort verändert hat, und mit den Besuchern aus dem Fenster im obersten Stockwerk des alten Getreidespeichers auf die Berge schauen, die einst Franz Marc faszinierten. Zu hören sind Gedichte von Eduard Mörike und Auszüge aus Briefen Marcs (Sonntag, 25. September, 11 Uhr, Orplid in Isarland).

Der Abend im Treibhaus der Villa Waldberta spiegelt ein anderes Treibhaus wieder: DADA. Bei der Lesung der in Icking lebenden Schauspielerin Belle Schupp geht es freilich weniger um Hugo Ball, Hans Arp oder Richard Huelsenbeck, sondern um die Mitbegründerin Emmy Ball-Hennings, Balls Ehefrau (Sonntag, 2. Oktober, 17 Uhr).

Am Ende zeigt sich, dass mehr oder minder zusammengefunden hat, was zusammen gehört: Kriegsland und Zufluchtsort, Gauting und Syrien. Denn sowohl Bratananium als auch Palmyra hatten einst zum Imperium Romanum gehört. Der Nachmittag auf Schloss Fußberg dreht sich darum, dass Archäologen beim Aushub für ein Flüchtlingsheim den Übergang der Römerstraße über die Würm gefunden haben. Und Matthias Friedrich trägt Texte klassischer lateinischer Autoren wie Vergil, Ovid und Marc Aurel nebst arabischer Gegenwartsliteratur vor (Samstag, 29. Oktober, 15 Uhr).

Beim Literarischen Herbst empfiehlt sich rechtzeitige Kartenbestellung (08151/90600), denn etliche Schauplätze bieten nur Platz für relativ wenige Besucher.

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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