Kurzkritik:Bläser rocken ab

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Herbert Schuch mit Quartett im Gautinger Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Die letzten Musikergenerationen der ernsten Sparte, die nun international die Konzertsäle erobern, gehen anders mit Musik um, als die aktuelle, ältere Publikumsgeneration es bis dato gewohnt war. Man könnte sagen: unkonventionell und undogmatisch. Doch der Enthusiasmus, den das Publikum im Gautinger Bosco der Rock-Zugabe (Medley von AC/DC bis Presley) entgegenbrachte, machte deutlich, dass diese Zuhörer begeisterungsfähiger sind als viele U-Musik-Fans, die oft noch nie in einem Klassikkonzert waren.

Aber auch in der ernsten Literatur gingen Ramón Ortega Quero (Oboe), Sebastian Manz (Klarinette), David Fernández Alonso (Horn) und Hanno Dönneweg (Fagott), der für den erkrankten Marc Trénel einsprang, mit enormem Elan an die Interpretation heran. Jean Françaix war vielleicht nicht der große Komponist des 20. Jahrhunderts und weiterhin der Tradition stark verpflichtet. Doch die vier jungen Musiker stellten mit seinem Petit Quatuor von 1935 (ursprünglich für vier Saxofone) einen kraftvollen und originellen Meister vor, der nicht davor zurückscheute, die skurrile Humoristik der Rahmensätze mit einem düsteren Mittelsatz zu kontrastieren. Die besondere Qualität der Fassung hatte damit zu tun, dass die Interpreten sehr nah an Sprachrhetorik herankamen und mit Spielwitz begeisterten.

Bei dieser vitalen Eroberungstaktik sollte es auch in den beiden großen Quintetten in Es-Dur von Mozart und Beethoven bleiben. Am Klavier mit Herbert Schuch, der wenige Tage zuvor in Gauting mit einem packenden Rezital begeistert hatte, stand jetzt weniger der Spielwitz im Mittelpunkt als der emotionale Erlebnisfaktor der Musik. Das Material ist insofern dafür bestens geeignet, da es Mozart darum ging, mit seiner Komposition KV 452 eine neue Klangwelt zu entdecken und aus ihr eine neue Gattung erstehen zu lassen.

Beethoven indes versuchte zehn Jahre später durch sorgfältige Studien der Werke Mozarts, sich mit eigenen Vorstellungen von diesem Vorbild respektvoll abzusetzen, ohne Mozarts Errungenschaften über Bord zu werfen. Und das Ensemble erfasste diesen Unterschied sehr sensibel, feinsinnig changierend bei Mozart, dramatisch intensivierend bei Beethoven.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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