Kunst:"Zeichnen ist der Ursprung"

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Dieter Stein, vormals Autor bei "Fix und Foxi" und Zeichner des Satiremagazins MAD, spricht über seine Anfänge als Retuscheur und seine Pläne als neuer Chef des Kunstvereins Gauting

Gauting - Dieter Stein, 1955 in Duisburg geboren, arbeitet als Zeichner, Maler und Illustrator und lebt mit seiner Familie in Gauting. Von 1981 an arbeitete er für den Comic "Fix und Foxi" und war danach bis 1988 Zeichner beim deutschen Satiremagazin MAD. Aus seiner Feder stammen Filmparodien wie "Fadort" oder "Der letzte Derrick", außerdem gestaltete er das "Spion & Spion"-Spiel. Seit September 2015 betreibt er ein Atelier in der Reismühle Gauting und widmet sich hauptsächlich der Malerei. Als Vorstand des Kunstvereins Gauting strebt er durch enge Zusammenarbeit aller Künstler eine Öffnung der Kulturszene an. Am 1. Juni beginnt seine Ausstellung in der LV 1871 in München, wo er seine Ölgemälde, originale MAD-Zeichnungen sowie das Making-Of dazu zeigt.

SZ: Herr Stein, Sie haben eine Lithografen- und Fotografenlehre gemacht und als Retuscheur gearbeitet. Wie kamen Sie zur Malerei - haben Sie eine Akademie besucht?

Dieter Stein: Ich zeichnete schon als Kind mit Leidenschaft, sogar in meine Schulbücher. Mit elf begann ich mit der Ölmalerei, mit 14 porträtierte ich Klassenkameraden, ich malte in jeder freien Minute. In der Kunstakademie fand ich mich nicht wieder, also nutzte ich meine berufliche Ausbildung als Grundlage für die bildende Kunst. In der Abschlussprüfung zum Lithografen wurde beispielsweise die Bleistiftzeichnung einer Coca-Cola-Flasche verlangt, wodurch ich lernte, präzise Abbilder zu erstellen.

Geht es Ihnen um das realitätsgetreue Abbilden der Wirklichkeit?

Nein, nicht nur! Ich möchte vor allem Geschichten erzählen. Um diese zu vermitteln, ist figürliche, ja realistische Malerei vonnöten. Im Detail kann das aber auch stark abstrahiert sein. In den Achtzigern habe ich großformatige Gemälde im Superfotorealismus gefertigt, deren stark gesetzte Striche sich aus der Distanz wieder zu einem naturalistischen Bild verwandeln.

Wie haben Sie sich die verschiedenen Techniken angeeignet? Wer waren oder sind Ihre Vorbilder?

Die Maltechniken habe ich mir tatsächlich selbst erarbeitet. So habe ich zum Beispiel im Frankfurter "Städel" meine Staffelei aufgebaut und wochenlang Werke großer Meister wie Renoir, Rembrandt oder Menzel kopiert. Die Ergebnisse hängen im Haus meiner Mutter, das teilweise wie ein Museum aussieht (lacht). Meine Vorbilder sind sicherlich neben den Impressionisten vor allem Maler wie Schiele und Klimt, die mich stark inspiriert haben.

Bilder, die Geschichten erzählen sollen: Dieter Stein, der neue Chef des Kunstvereins Gauting, inmitten seiner Werke in seinem Reismühlen-Atelier. (Foto: Georgine Treybal)

Sie zeichnen, malen, illustrieren und fotografieren. Sehen Sie die verschiedenen Kunstrichtungen als Ergänzung oder gibt es für Sie eine Hierarchie?

Alle Kunstformen sind eine Strophe desselben Liedes. Allerdings liegt mein Fokus auf der Malerei und dem Zeichnen: Letzteres hat für mich persönlich den höchsten Stellenwert, denn die Zeichnung ist der Ursprung jeder bildenden Kunst. Selbst mit dem Pinsel zeichne ich - ich sehe mich also eher als zeichnenden Maler. Mitunter arbeite ich sogar mit dem Stift über das Gemalte, um den ursprünglichen skizzenhaften Entwurf wieder sichtbar zu machen. In meinen Augen ist die Zeichnung am ehrlichsten und konkretesten.

Das heißt?

Konkret Gezeichnetes oder Gemaltes ist wichtig zum Transport der Geschichte. In meinen U-Bahn- und Reisebildern sind in den Gesichtern deutliche Emotionen erkennbar, von der Langeweile bis hin zur Unbequemlichkeit, für eine Zeit neben wildfremden Menschen sitzen zu müssen. Das finde ich spannend! Was ist mit Fotografie und Illustration, damit verdienen Sie doch auch Ihr Geld? Fotografie nutze ich als Grundlage für meine Gemälde, also überwiegend als Mittel zum Zweck. Illustrationen im Auftrag sind vor allem Broterwerb. Meine Malerei hat einen anderen Stellenwert, das trenne ich eindeutig.

Langeweile und Ungeduld im Blick: eines von Steins U-Bahn-Bildern. (Foto: Georgine Treybal)

In den Achtzigerjahren waren Sie Autor für "Fix und Foxi" und Zeichner für MAD. Wie kamen Sie zu den Comics?

Bereits als Kind zeichnete ich die Bildergeschichten von Wilhelm Busch nach und entwarf eigene Comicfiguren. MAD und Asterix, dessen Zeichenstil mich später inspirieren sollte, gehörten zu meinen Lieblingen. Dagegen war meine Arbeit als Tiefdruckretuscheur sehr lukrativ, aber künstlerisch uninteressant. Da entdeckte ich eine Anzeige des Verlages, der "Fix und Foxi" produzierte: Fortan schrieb und scribbelte ich in meinem Lieblingscafé Comicepisoden. Das war tatsächlich der entspannteste Job meines Lebens (lacht)! Als "Fix und Foxi" 1982 seine Produktion einstellte, bewarb ich mich mit einer Probezeichnung beim deutschen MAD, der damaligen Nummer eins der heimischen Comicszene, und wurde tatsächlich genommen.

Wie sah Ihre Arbeit für das Satiremagazin aus, schrieben Sie auch die Geschichten mit? Fühlten Sie sich als Künstler manchmal eingeschränkt?

Für MAD zeichnete ich etliche kleinere Beiträge, bevor ich den Auftrag zur ersten Filmproduktion erhielt, "Die unkenntliche Geschichte". Meine Erfahrung in der Porträtgenauigkeit kam mir dabei sehr entgegen. Die Zusammenarbeit mit den Textern war manchmal schwierig, aber effektiv. Nach Ablieferung meiner Grundideen erhielt ich den fertigen Text, an den ich mich halten musste. Insgesamt ließ mir Chefredakteur Herbert Feuerstein maximale Freiheiten. Wir schufen mit "Blindenstraße", "Mono" und "Scheiss ohne Stil" teilweise recht böse Parodien auf "Lindenstraße", "Momo" oder "Eis am Stiel". Auch aus heutiger Sicht noch gelungene Beiträge.

Comics galten ja lange Zeit als "Schundhefte". Sehen Sie Satire-Comics als Kunst - und umgekehrt Ihre Kunst als Sozialkritik?

Für mich war das MAD-Magazin durchaus eine Kunstform. Es war eine Ehre und Freude, daran mitwirken zu dürfen, ich konnte gleichzeitig zeichnen und meine Ideen transportieren. Natürlich gab es viele Diskussionen zwischen Feuerstein und mir, da ich oft gern noch politischer gewesen wäre (lacht). In meiner Malerei durfte ich konkreter sein. Reine Ästhetik war nie mein Anliegen. Fast alle meine Bilder enthalten kleine Spitzen und kritische Botschaften, die hinterfragen und zum Reflektieren anregen sollen.

Sie sind neuer Vorstand des Kunstvereins Gauting. Was sind Ihre künstlerischen Ziele für den Verein?

Ich wünsche mir eine dynamische und offene Kulturszene, bei der alle Künstler der verschiedenen Kunstrichtungen zusammenwirken. 2018 möchte ich ein fakultätsübergreifendes Projekt umsetzen und gemeinsam mit den hiesigen Kulturvereinen wie dem Gautinger Bosco ein großes Kulturspektakel mit Literaturlesungen, Malerei, Musik, Theater und Archäologie auf die Beine stellen. Denn wie gesagt, sie alle sind eine Strophe desselben Liedes. Ich hoffe, dadurch auch viel junges Publikum für Kunst jeglicher Art begeistern zu können. Durch die Kunst können wir nämlich neuen Generationen einen Denkanstoß geben und ihnen neue Sichtweisen eröffnen.

© SZ vom 28.05.2016 / aek - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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