Kultur:Alles vom Sommerfrischler

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Bei den 20. Tutzinger Brahmstagen stehen im Oktober ausschließlich Stücke des Hamburger Komponisten auf dem Programm, darunter jene vier Werke, die er in dem einstigen Fischerdorf schrieb oder vollendete

Von Gerhard Summer, Tutzing

So viel Brahms auf einmal gab's in der einstigen Sommerfrische des Komponisten noch nie. Das viel gerühmte Mandelring Quartett, Sänger wie Christoph Pohl und Franz Hawlata, ein 90-köpfiger Festivalchor und das Philharmonische Orchester Stringendo führen im Oktober in Tutzing ausschließlich Werke des berühmten Hamburgers auf. Darunter finden sich sämtliche Kompositionen, die der musikalische Romantiker vor 144 Jahren in dem einstigen Fischerdorf am Starnberger See geschrieben hatte, etwa die Variationen über ein fälschlicherweise Joseph Haydn zugeschriebenen Thema und zwei Streichquartette.

Hochrangige Besetzung: Zu den Brahmstagen kommt das Mandelring Quartett. (Foto: Niels P. Joergensen)

Der Grund für die Programmballung samt Kinoabend: Die Brahmstage Tutzing, die sonst auf die fein austarierte Mischung setzten und Stücke ihres Hausgottes mit Musik von Bach, Beethoven, Franck oder Dvořák kombinieren, feiern ihr 20-jähriges Bestehen. Und realisieren nun, was schon bei der Premiere 1997 geplant war.

1873 hatte der damals 40 Jahre alte Brahms in Tutzing einen Sommer verbracht. Dass er in dem Ort überhaupt Quartier nahm, dürfte an einer Kränkung gelegen haben: Sonst verbrachte der Komponist seine Sommer stets in Clara Schumanns Haus in Baden-Baden-Lichtental, dort gingen auch der Geiger Joseph Joachim, Komponist Anton Rubinstein und der Sänger und Dirigent Julius Stockhausen ein und aus. Doch 1873 schaute sich Brahms nach einem anderen Domizil um, offenbar weil er die Robert-Schumann-Feier im August in Bonn nicht mit hatte ausrichten dürfen und auch sein Requiem vom Programm genommen wurde. So jedenfalls deutet es die Journalistin Ulrike Mertz in ihrer 207 Seiten starken Festschrift zu den Brahmstagen an.

Der als Wagner- und Opernsänger berühmte Bariton Franz Hawlata wird ebenfalls auftreten. (Foto: dpa)

Der Komponist verfiel auf Tutzing; immerhin hatte er schon 1870 ganz in der Nähe einmal Station bei dem Generalmusikdirektor Franz Lachner gemacht, in Bernried. Er bezog am 14. Mai ein Zimmer im Wirtshaus Amtmann und mietete auch gleich das unstimmbare Klavier des Hauses, "damit niemand darauf spielt". Der Naturliebhaber erkundete die Umgebung auf langen Spaziergängen, schrieb längst legendäre Postkarten (". . . man sieht sich nicht satt"), unternahm Ausflüge nach München, reiste zwischendrin doch noch zur Schumann-Feier nach Bonn und war ungewöhnlich produktiv. Er verfasste die Haydn-Variationen op. 56, vollendete die Streichquartette c-Moll und a-Moll op. 51 und komponierte die Lieder und Gesänge op.59, die das Wagner-Sängerehepaar Therese und Heinrich Vogl gleich im Musikpavillon in der Nähe des Tutzinger Dampferstegs aufführte.

Schon bei den ersten Brahmstagen 1997 unter der künstlerischen Leitung von Christian Lange sollten die vier Werkkomplexe zu hören sein. Doch dann kam die Absage von Musikern dazwischen, und anstelle eines Brahms-Streichquartetts erklang ein Werk von Mendelssohn-Bartholdy. Heuer nun will die Leitung des Festivals, das schon gefeierte Künstler wie Jonas Kaufmann, Hermann Prey, Christian Gerhaher, Juliane Banse oder Franz Hawlata zu Gast hatte und im Vorjahr an die 1000 Zuhörer anzog, die vier vollmachen. Das erste Konzert im Alten Schloss übernimmt das Duo d'Accord an zwei Flügeln und vierhändig, bei den Liebeslieder-Walzern op. 52 a rezitiert Alexander Netschajew die Texte von Georg Friedrich Daumer. Thomas Zagel, Zweiter Vorsitzender des Festival-Freundeskreises, sagt lobend über Netschajew: "Dem kannst du das Telefonbuch in die Hand geben". Außerdem geboten: Kammermusik mit den Mandelrings, eine Film-Matinée im Kur-Theater mit dem wunderbaren Schinken "Lieben Sie Brahms", ein Liederabend des Baritons Christoph Pohl und des Pianisten Tobias Krampen und die inzwischen siebte Auflage von "Brahms meets Jazz". Das Diogenes Quartett und das Jazz-Quartett Max Grosch lassen Brahms-Themen zwischen Romantik, Klassik und Swing changieren. Bei ihrem Auftritt im Gymnasium heben sie auf die Höhepunkte der vergangenen sechs Jahre ab. Mit dem Brahms-Requiem, das schon 1997 und 2001 gegeben worden war, klingen die zwei Musikwochen aus. Als Solisten sind Felicitas Fuchs (Sopran) und Franz Hawlata (Bariton) zu hören, der Chor setzt sich aus Mitglieder der Ars Musica Ottobrunn, der Chorgemeinschaft St. Pius in Pöcking und des Kirchenchors St. Joseph in Tutzing zusammen. Die Leitung hat Helene von Rechenberg.

Johannes Brahms - hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1874 - ließ sich als junger Mensch im Sommerurlaub von der Schönheit des Dörfleins Tutzings inspirieren. (Foto: oh)

Auftakt ist am Sonntag, 15. Oktober, mit dem Duo d'Accord in der Evangelischen Akademie, Finale am 29. Oktober in der Pfarrkirche St. Joseph mit dem Requiem. Beide Abende beginnen um 18 Uhr. Die Festschrift von Ulrike Mertz, die alle 100 Konzerte und Veranstaltungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten dokumentiert, kostet 29,90 Euro und ist im Buchhandel, auf der Seite tutzinger-brahmstage.de und an den Festivalabenden zu haben.

© SZ vom 28.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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