Krailling/Gauting:Wahre Effizienz

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Mut zum Experiment: Schachtners Collegium Bratananium. (Foto: Georgine Treybal)

Johannes X. Schachtners CD "Passionen"

Von Reinhard Palmer, Krailling/Gauting

Leid, Leidenschaft, hinnehmen, erdulden: Das alles ist etymologisch dem Wort "Passion" immanent. Ob nun in der christlichen Bedeutung, als musikalische Gattung oder auch als persönliche emotionale Ausprägung: Passion ist aufs Engste mit der Gefühlswelt verflochten. Wenn also Johannes X. Schachtner seine kürzlich erschienene, zweite CD mit ausschließlich eigenen Kompositionen "Passionen" nennt, dann macht er seine Seele ein Stück mehr auf, als es künstlerische Leistung ohnehin verlangt. Er widmet sie seiner Schwester Katharina, die 1993 mit nur sieben Jahren starb.

Schachtners Passionen sind gemessen an historischen Vergleichen doch eher asketischer Natur, zumindest was den Umfang der Besetzung angeht, weniger jedoch in der feinklanglichen Vielfalt, die bereits im "abtasten" (Relief Nr. 2) für Orgel durch Strukturierung, Harmonien und Ballungen differenziert. Und die Passion Christi nach dem Evangelium des Johannes in seiner Historien-Kantate Nr. 2 von 2014 - das zentrale Werk der CD-Einspielung - ist geradezu ein Musterbeispiel an Effizienz. Hier findet sich kein Orchester mit Pauken und Trompeten, sondern ein Instrumentarium der Einsamkeit, aber eben auch des geduldigen Erduldens. Das Violoncello (Edward A. King) spielt die Hauptrolle und spannt sein Ausdrucksvermögen von sinnierender Poesie über dissonante Schärfen bis hin zum empfindsamen Gesang aus.

Das zweite Instrument ist nicht minder ausdrucksstark, obgleich es simpel und von der Tonerzeugung her eingeschränkt ist: das Semantron. Das vor allem in der Ostkirche in der Karwoche anstelle der Glocken ertönende, hölzerne Schlagbrett verbreitet mit jedem Schlag eine verstörend aggressive, ja gewaltsame Atmosphäre, die in dem Fall den grausamen, tödlichen Ausgang im Grunde vorwegnimmt. Wenn das Volk den Tod Christi fordert, tritt der extremste Kontrast zwischen einem versöhnlich gedeuteten Pilatus mit innig singendem Cello und dem tumultartigen, todverkündenden Semantron-Getöse des Mobs auf. Rein geräuschhaft begleitet es weite rezitativische Passagen, sozusagen als Verstärker der Eindringlichkeit. Und schließlich kommt nach einem weit gedehnten, atmosphärischen Totengebet eine Glocke zum Einsatz. Die Totenglocke? Oder die Glocke der verheißenen Auferstehung?

Die karge Besetzung der Musik erzeugt ungeheuer starke Wirkung, was vor allem im "Epitaph" für Violine solo (Helena Berg) geradezu verstörend spürbar wird. Dieses effektive Auf-den-Punkt-Bringen kennzeichnet auch die weiteren Kompositionen der CD, die zwischen 2007 und 2015 entstanden sind und in der St.-Benedikt-Kirche von Pentenried sowie im Konzertsaal der Universität Augsburg aufgenommen worden sind. Die Ausführenden sind das Concertino Ensemble sowie der Kammerchor des Collegium Bratananium. Dazu kommen Solisten wie Julius Berger (Cello) oder Babette Haag (Schlagwerk) Die CD kann für 20 Euro (samt Versand) unter CDbestellung@collegium-bratananium.de) geordert werden.

Der Kammerchor des Collegium Bratananium und das Barockensemble geben an diesem Samstag, 19 Uhr, in der Kirche St. Benedikt in Pentenried, Händels Messiah. Zweite Aufführung: Christuskirche Gauting, 9. April, 19 Uhr.

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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